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Hoffnung am Horizont

Hoffnung am Horizont

Titel: Hoffnung am Horizont
Autoren: Kerry Greine
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beantworten, auf die ich keine Antworten habe. Muss keine
mitleidigen Blicke ertragen und vor allem sagt mir niemand, was ich machen
soll. Ich starre Tag für Tag, Stunde für Stunde auf den Fernseher, ohne etwas
wahrzunehmen. Wenn Walton sich meldet, gehe ich mit ihm in den
gegenüberliegenden Park, um danach wieder vor dem Fernseher zu liegen. Ich
möchte heulen, aber ich habe keine Tränen. Sie stecken irgendwo in meinem
schmerzhaft rauen Hals, direkt hinter diesem dicken Knoten, der sich seit Tagen
nicht löst. Ich habe, seit ich hier bin, nicht wirklich geschlafen, sehe ich
doch noch immer die Bilder vor mir. Ich kann sie einfach nicht vergessen. Gabe,
der Mann, den ich liebe, dessen Baby ich bekomme, hat vor meinen Augen Sex mit
einer Anderen. Ich bedeute ihm gar nichts. Ich bin eine Gebärmaschine für sein
Kind. Ich fühle mich leer, ausgelaugt. Mich interessiert nicht mehr, was um
mich herum vorgeht, wie ich aussehe. Seit Tagen habe ich nicht mehr geduscht
und ich ernähre mich hauptsächlich von Fencheltee. Das ist so ziemlich das
einzige, was mein Magen bei sich behält. Sobald ich etwas esse, wird mir übel
und es kommt wieder heraus. Nur ein paar Cornflakes, total aufgeweicht in Milch
zu einer breiigen Masse, kann ich ab und zu bei mir behalten. Aber auch das ist
mir egal. Ich habe sowieso keinen Hunger.
    Ich kenne die Person, die
mir aus dem Badezimmerspiegel entgegenblickt nicht mehr. Verfilzte rote Haare,
tiefliegende, riesengroß wirkende Augen mit schwarzen Ringen darunter,
eingefallene Wangen, ein Sweatshirt, das um die Schultern schlackert. Ich kann
nicht darüber nachdenken, wer diese Frau ist. Mein Kopf ist mit anderen Sachen
voll, die sich nicht beiseiteschieben lassen.
    Mein Gedankenkarussell
steht nicht still, am liebsten würde ich meinen Kummer in Alkohol ertränken.
Ja, jetzt schön eine Flasche Wodka und ich könnte wieder schlafen. Aber nein,
ich bin schwanger. So unverantwortlich bin ich dann doch nicht.
    Irgendwo in der Küche
brummt etwas. Schon den ganzen Tag über habe ich dieses Geräusch immer wieder
gehört, aber es war mir egal, was das ist. Jetzt steht Walton auf und geht auch
in die Küche, sieht mich über die Schulter aus traurigen, braunen Augen an. Ein
richtiger Hundeblick. Er lässt ein leises Fiepen hören und bleibt vor seinem
Wassernapf stehen. Leer. Okay, dann muss ich mich wohl mal bewegen. So schlecht
es mir auch geht, meinen Hund versorge ich. Das ist allerdings auch das
Einzige, was ich in den letzten Tagen mache.
    Seufzend erhebe ich mich
vom Sofa und schlurfe in die Küche. Wieder dieses Brummen. Wo ich schon einmal
hier bin, kann ich mich auch mal umsehen, was das ist. Oh, mein Handy. Ich
hatte den Klingelton ausgestellt, weil ich niemanden hören wollte. Seit Tagen
liegt es unberührt herum, es wundert mich, dass der Akku noch nicht leer ist.
Ich telefoniere zwar jeden Tag mit Chris, aber es ist immer er, der hier in der
Wohnung auf dem Festnetz anruft. Damit er nicht allzu misstrauisch wird, habe
ich ihm erklärt, dass ich einfach ein paar Tage raus wollte, Urlaub machen,
nach dem Schock mit der Zyste und dem Krankenhausaufenthalt. Ich weiß nicht, ob
er mir glaubt, aber er fragt nicht weiter. Schließlich kann er sowieso nichts
machen, er ist ja in Seattle. Ich weiß gar nicht genau, wann er wieder kommt.
Er hatte es mir gesagt, aber ich habe es vergessen. Im Vorbeigehen schaue ich
auf das Display, das mir vom Küchentisch entgegen leuchtet. Gabe ruft an,
verkündet mir mein Handy. Ich gehe nicht dran und irgendwann hört das Brummen
auf. Jetzt nehme ich es doch in die Hand. Über dreißig Anrufe in Abwesenheit.
Alle von Gabe. Diverse SMS, die ich ungesehen lösche. Ich will nicht wissen,
was er mir zu sagen hat. Er hat seine Esstisch-Schönheit, soll er doch die
vollquatschen, wenn er jemanden zum Reden sucht. Aber ein bisschen schlechtes
Gewissen habe ich schon, ich hatte Annie versprochen mich wieder zu melden und
habe es nicht getan. Sie denkt noch immer, Chris wäre hier und würde sich um
mich kümmern. Wahrscheinlich hat sie deshalb nicht schon längst angerufen. Ich
seufze auf und greife zum Telefon und suche ihre Nummer aus den Kontakten.
    Es klingelt lange, dann
höre ich auf einmal Colins Stimme.
    „Jules, endlich meldest du
dich. Wie geht es dir? Wann kommst du zurück? Annie macht sich Sorgen.“
    „Hi Colin! Wo ist sie
denn?“
    Seine Fragen beantworte
ich nicht. Ich möchte ihn nicht anlügen, weiß aber auch nicht so recht, was ich
sagen
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