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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte
Autoren: Anthony Horowitz
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Schritt nach vorn machten und den Schutz der Mauern verließen, würden sie sofort weggerissen werden. Er musste brüllen, um sich verständlich zu machen.
    »Wir können nicht warten!«, schrie Matt. »Wir haben nur diese eine Chance. Wir müssen Hongkong jetzt verlassen.«
    Scarlett stand mit Richard und Jamie hinter ihm. Matt drehte sich um, ihre Blicke trafen sich – und in diesem Moment begriffen beide, was los war. Sie konnten keine Geheimnisse voreinander haben. »Das warst du!«, brüllte er. Der Wind heulte immer noch. Auf der anderen Straßenseite wurde plötzlich ein Fenster herausgerissen. Das Glas schien förmlich wegzuspringen. »Du hast das gemacht.«
    »Nein!« Scarlett schüttelte den Kopf und versuchte, es zu leugnen.
    »Wir haben alle bestimmte Kräfte. Wir alle fünf. Das ist deine.«
    Scarlett erkannte, dass er recht hatte. In gewisser Weise hatte sie es schon immer gewusst.
    Ihr richtiger Name war nicht Scarlett Adams. Der Weiße Lotus hielt sie für eine Reinkarnation von Lin Mo, einer Gestalt aus der chinesischen Mythologie, einer Göttin des Meeres. Und wenn sie wirklich einmal eine Göttin gewesen war, musste sie eine Kraft besitzen, die weit über alles Menschenmögliche hinausging. Der Vorsitzende von Nightrise hatte noch einen Fehler gemacht. Er hatte geglaubt, sie könnte nur das Wetter vorhersagen. Tatsächlich aber konnte sie es kontrollieren.
    Das hatte sie schon immer bewiesen. In der Schule in Dulwich hatte es allen Vorhersagen zum Trotz aufgeklart, wenn Scarlett auf einen Schulausflug wollte. Dasselbe war in Hongkong geschehen, als sie die Verabredung auf dem Peak hatte. Auch da hatte der Regen unerwartet aufgehört und die Sonne war herausgekommen.
    In der großen Schlacht vor zehntausend Jahren hatte sie diese Kraft ebenfalls eingesetzt. Jamie hatte Matt davon erzählt. Als Pedro mit seinen Truppen zur Unterstützung gekommen war, hatte es plötzlich angefangen, so heftig zu regnen, dass die Alten ihn nicht sehen konnten.
    Das war kein Zufall gewesen.
    Es war ihr Werk.
    Der Vorsitzende hatte behauptet, sie wäre die schwächste der Fünf. Er hatte sich geirrt. Sie war mit Abstand die Mächtigste.
    »Du kannst es aufhalten!«, brüllte Matt.
    »Das kann ich nicht!« Scarlett schüttelte den Kopf. Sie hatte den Drachen hergeholt. Das erkannte sie jetzt. Aber nach drei Tagen im Gefängnis und allem anderen, was sie durchgemacht hatte, fehlte ihr jetzt die Kraft, ihn wieder fortzuschicken.
    »Dann kannst du uns wenigstens schützen. Du kannst den Sturm von uns fernhalten.«
    Scarlett sah hinaus auf die Straße, auf den sintflutartigen Regen, die Gebäude, deren Trümmer herumflogen wie Konfetti, die vorbeitrudelnden Autos und die durch die Luft sausenden Holz- und Metallteile. War das wirklich ihr Werk, die Zerstörung einer ganzen Stadt? Wie viele Leute würden ihretwegen sterben? Dieser Gedanke entsetzte sie mehr als alles, was sie gesehen hatte. War sie wirklich für dies alles verantwortlich? »Matt, ich kann das nicht…«
    »Du musst. Wir müssen den Tempel erreichen.«
    Lohan mischte sich ein. »Es ist nicht weit dorthin«, rief er. »Ich kann euch den Weg zeigen.«
    »Scar…?« Matt sah sie an.
    Vielleicht lag es einfach nur daran, dass er diesen Namen benutzt hatte, ihren Namen von vor zehntausend Jahren. Vielleicht war das der Auslöser. Denn in dieser Sekunde veränderte sich etwas. Scarlett holte tief Atem. Sie war viel zu lange ein Opfer gewesen, herumgestoßen vom Vorsitzenden, von den Alten, sogar von den Triaden. Damit war jetzt Schluss. Sie war eine Torhüterin. Nur darum war sie in all dies hineingeraten und plötzlich machte es sie wütend, was sie deswegen alles verloren hatte – ihre Freunde, ihr Zuhause und sogar ihren Vater. Und mit der Wut kam die volle Beherrschung ihrer Fähigkeit. Jetzt wusste sie, was sie zu tun hatte.
    »Kommt mit«, sagte sie.
    Sie verließen das Gefängnis. Erst Lohan, dann Scarlett und Matt, gefolgt von Richard und Jamie. Sie traten hinaus in den Regen, in den Sturm, in eine unbändige Naturgewalt, die die Stadt mit aller Kraft attackierte. Eigentlich hätten sie sofort von den Füßen gerissen oder auf den Boden geschmettert werden müssen. Doch der Wind wirbelte um sie herum. Der Regen prasselte herunter, aber sie blieben trocken. Sie schritten ins Herz des Taifuns und er verschluckte sie, ohne sie zu berühren. Es war, als befänden sie sich unter einer schützenden Glasglocke. Sie konnten kaum etwas sehen. Überall herrschte das
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