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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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Drosseln, Amseln, Finken, Stare und Spatzen geweckt zu werden. Er lag auf dem Rücken, die Hände unter dem Kopf verschränkt, gähnte und sah aus dem offenen Fenster auf die gegenüberliegenden Dächer, hinter denen sich der violette Himmel allmählich aufhellte.
    Er drehte sich zu seiner Frau, die ganz und gar unter Kissen und einer Decke verschwunden war. Er griff nach einer hervorlugenden Haarsträhne und zupfte sanft daran. «Schläfst du noch?», fragte er.
    «Hmmm.»
    «Dann komm ich jetzt zu dir.»
    Hella tat, als ob sie wieder eingeschlafen war.
    Heinz schlüpfte unter Hellas Bettdecke und schmiegte sich an den Rücken seiner Frau. Er drückte seine Nase in ihren Nacken und schnupperte daran. Langsam schob er ihr Nachthemd nach oben und streichelte ihren warmen Bauch.
    Hella knurrte unwillig. «Lass mich!»
    Aber Heinz hörte nicht auf sie. Er tastete sich langsam zu ihren Brüsten vor. Mit der anderen Hand strich er über ihren Oberschenkel. Er wartete darauf, dass sie in seinen Armen weich und nachgiebig wurde und seiner Hand Einlass gewährte, doch Hella machte sich steif wie ein Brett.
    «Bist du noch so müde? Ach, Schatz», raunte Heinz und biss ihr leicht in den Nacken.
    Hella fuhr auf. Sie stieß ihren Mann von sich und fauchte: «Ich will jetzt nicht mit dir schlafen, Herrgott noch eins.»
    «Ist ja gut», brummte Heinz gekränkt, wand sich aus Hellas Bett und stand auf. Er warf sich den Morgenmantel über und tat so, als bemerkte er Hellas Schluchzen nicht. Am liebsten hätte er geradeheraus gesagt, wie ihm ihre Übellaunigkeit aufs Gemüt schlug, doch er schwieg, ging ohne sich umzudrehen aus der Schlafkammer und die Stiege hinunter in die Küche. Die Magd hatte schon Wasser geholt, das Feuer im Herd brannte, und darauf brodelte ein Topf mit Grütze. Heinz nahm sich einen Eimer mit Wasser und ging in die kleine Waschkammer, die sich neben der Küche befand. Bald darauf saß er gewaschen, rasiert und gekämmt am Frühstückstisch und löffelte seine Hafergrütze.
    Als Hella erschien, blickte er nicht auf, sondern aß weiter, als hätte er sie nicht bemerkt.
    Sie setzte sich ihm gegenüber und griff nach seiner Hand. «Es tut mir leid», flüsterte sie. «Ich weiß nicht, was mit mir ist. Verzeih mir, bitte.»
    Blettner nickte. Er mochte seiner Frau nicht böse sein, hasste Streit wie nichts sonst auf der Welt.
    «Es ist gut», erwiderte er. «Ich weiß ja, dass es dir leidtut.»
    Dann, als das Schweigen zu schwer wurde, fragte er: «Was hast du heute vor?»
    «Ich will auf den Markt. So früh wie nur möglich, denn da sind die Sachen am frischesten. Ich möchte dir einen kräftigen Rindfleischtopf mit Zwiebeln und Rotwein machen.» Sie lächelte ihrem Mann aufmunternd zu, aber der erwiderte ihr Lächeln nicht. «Dein Lieblingsessen», erklärte Hella mit Nachdruck. «Ich brauche dafür ein schönes Stück Rind, vielleicht eine oder zwei Beinscheiben. Dann nehme ich sechs Zwiebeln, ein Stück Roggenbrot und einige Lorbeerblätter, dazu vielleicht ein wenig Senf und natürlich reichlich Pfeffer. Ich werde alles so machen, wie meine Mutter es mir beigebracht hat. Zuerst werde ich das Fleisch in guter Butter anschmoren, dann die Zwiebeln dazugeben, mit Rotwein auffüllen und würzen. Ich lasse das Fleisch in aller Ruhe köcheln, bis es so weich ist, dass es auf der Zunge zergeht. Danach bröckle ich das Roggenbrot in die Soße, koche alles einmal hoch, bis es schön eingedickt ist, gebe Pfeffer dazu, und schon ist der Rinder-Zwiebel-Topf fertig. Na, was sagst du dazu?»
    Hella sah ihren Mann lobheischend an, aber Richter Heinz Blettner winkte ab. «Mach dir keine Mühe. Ich werde heute in der Ratsschänke essen. Außerdem interessiere ich mich nicht für Kochrezepte, sondern nur für das Essen.»
    «In der Schänke? Wieso das denn? Du isst doch sonst immer so gern zu Hause. Und wenn meine Mutter den Rindertopf macht, schwelgst du schon drei Tage im Voraus.»
    Der Richter sah auf. Nichts in seinem sonst so freundlichen Gesicht lächelte. Die Augen nicht, die Lippen nicht. «Ich habe keinen Appetit», antwortete er knapp. Er wischte sich mit der Serviette den Mund ab und wollte aufstehen,doch Hella legte ihm eine Hand auf die Schulter. «Halt», bestimmte sie. «Hiergeblieben. Erst sagst du mir, was mit dir ist!»
    Heinz Blettner seufzte. Dann fragte er leise: «Weißt du eigentlich, wie oft es in den letzten Monaten Rindertopf gegeben hat?»
    Hella schüttelte verblüfft den Kopf.
    «Acht Mal!» Heinz
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