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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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für dich habe?» Angeekelt stieß der Mann sie weg, direkt vor den Stand der Vogelhändlerin, die vor sich auf dem Holztisch an den Füßen zu Paaren zusammengebundene Turteltäubchen liegen hatte.
    «Hallo, junge Frau», rief sie Hella zu. «Wollt Ihr nicht meine Täubchen probieren? In Mandelmilch gesotten und mit Rosenblättern garniert bringen sie jeden Mann um den Verstand.» Hella schüttelte stumm den Kopf und hastete weiter. Als sie am Rande des Marktes angelangt war, atmete sie auf. Ihre Augen schmerzten, sie hob die Fäuste und rieb die Augenlider. Neben ihr tuschelten zwei Handwerksweiber. «Hast du schon gehört», fragte die eine. «Es heißt, man hat einen Arm gefunden. Einen einzelnen Arm. Zähne haben daran genagt. Große, starke Zähne. Ganze Batzen Fleisch sollen sie herausgerissen haben.»
    «Ja», erwiderte die andere. «Davon habe ich auch gehört. Die Leute sagen, dass ein Sarazene am Tatort war. Heißt es von denen nicht, dass sie ihre Toten auffressen?»
    Die beiden schüttelten sich in wohligem Grausen, während Hella sich hochmütig abwandte und zu einer kleinen Bude gegenüber dem Steinernen Haus ging. Dort hatte Jutta Hinterer, die Freundin ihrer Mutter, ihre Geldwechselstube.
    «Guten Morgen, Hintererin», grüßte Hella und stellte ihren noch immer leeren Einkaufskorb vor sich auf den Boden.
    Die Geldwechslerin hatte die Arme auf ihre Ladentheke gelegt. Sie sah aus wie eine zufriedene Hausfrau, die beim Ausschütteln der Federbetten eine Pause macht, um das Treiben auf der Gasse zu betrachten. Mit prüfendem Blick musterte sie Hella.
    «Du hast schon besser ausgesehen, meine Liebe», stellte sie fest. «Blass bist du immer, aber heute hat deine Haut einen gräulichen Schimmer. Die Augen sind auch nicht so klar wie sonst, sogar deine Lippen haben an Farbe verloren. Was fehlt dir?»
    Hella errötete. «Es kann nicht jeder Tag ein guter Tag sein.»
    «Ha!» Jutta schrie es beinahe. «Diese Worte aus dem Munde einer jungen Ehefrau. Ich fasse es nicht. Was soll werden, wenn schon ihr jungen Frauen herumlauft und ein Gesicht zieht wie andere nach zwanzig Jahren Ehe? Das Menschengeschlecht wird aussterben, jawohl! Und die Männer zuallererst.»
    Sie lehnte sich zurück, zupfte an ihrer Nase und dachte einen Augenblick nach. «Eine Welt ohne Männer. Wie wäre das, na?»
    Hella zuckte mit den Achseln.
    «Es gäbe keine Kriege, keine Ehebrecher, keinen Schnaps, keine herumliegenden Stinkestrümpfe. Dafür überall Ordnung und Kuchen. Und Tand und Putz in Hülle und Fülle. So wäre das. Aber ich sehe schon, ihr jungen Frauen habt immer weniger Spaß an der Ehe.»
    Hella zog empört die Augenbrauen nach oben. «Woher wollt Ihr denn wissen, dass es die Ehe ist, die mir zu schaffen macht?»
    Jutta Hinterer lachte. «Weil ich schon drei Mal verheiratet war, mein Herzchen. Jedes Mal mit dem falschen Mann, jawohl. Wie eine mit ihrer Ehe unzufriedene Frau aussieht, weiß niemand in dieser Stadt besser als ich. Das kannst du mir ruhig glauben.»
    «Ich kenne Euch nur gut gelaunt», widersprach Hella.
    «Natürlich tust du das. Du kennst mich ja auch nur als Witwe! Und eine Witwe hat immer gut lachen. Der beste Stand, den eine Frau haben kann, ist der Witwenstand. Als Jungfrau hat man noch so viele Träume, die einer nach dem anderen zerplatzen. Als Ehefrau hast du den ganzen Tag zu tun und musst obendrein noch die Wünsche deinesGatten erfüllen. Meist gibt es da auch noch Kinder, die beständig ihre Rotznasen an deiner Schürze abputzen. Als Witwe aber geht es endlich einmal nur um dich. Keine Befehle, keine Sonderwünsche, keine Aufträge, Aufgaben, Pflichten. Das verstehe ich unter Freiheit. So, und jetzt erzähl mir, was es Neues gibt.»
    Hella seufzte. Sie kannte die Hintererin seit ihrer Kindheit, denn Jutta war die beste Freundin ihrer Mutter Gustelies. Sie wusste, dass die Geldwechslerin mit beiden Beinen fest auf der Erde stand und zu jedem Thema dieser Welt eine eigene, unverwechselbare Meinung hatte. Auch geizte Jutta Hinterer nicht mit Rat und Tat, selbst wenn dies weder erforderlich noch erwünscht war. Sie hielt es einfach für ihre Aufgabe, Frauen vor dem Unglück, welches sie unweigerlich mit Männern haben würden, zu warnen.
    «Was hat er angestellt, der Deine?», bohrte sie weiter.
    «Säuft er, spielte er, hurt er, schlägt er?»
    «Aber nein, ganz und gar nicht. Wie kommt Ihr nur darauf?»
    «Na gut, was ist dann? Was tut oder unterlässt er?»
    Hella sah zum Boden, kratzte mit der
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