Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
Spitze ihres Schuhes auf dem Pflaster herum und seufzte. «Er sieht mich nicht.»
    «Bitte, was?»
    «Heinz sieht mich nicht, wie ich bin. Er sieht die Frau, die vor ihm steht, sieht ihr Kleid, ihre Brüste, meinetwegen noch ihr Haar, aber mein Inneres, meine Seele, die sieht er nicht.» Hella sah Jutta kläglich an, wartete auf Bekräftigung, auf Zuspruch, auf Trost oder wenigstens ein Schimpfwort wider die Männer, doch nichts davon geschah. Jutta Hinterer warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals.
    Verwirrt sah Hella sie an. «Was gibt es da zu lachen?», fragte sie.
    «Du hast ihm das bestimmt genau so gesagt, nicht wahr?»
    Hella nickte. «Selbstverständlich.»
    «Selbstverständlich», prustete Jutta und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann wurde sie ernst. «Hör mal, Mädchen. Männer können mit solchen Sätzen nichts anfangen. Sie sind Männer, deshalb. Du musst klare Botschaften formulieren, am besten in Befehlsform. ‹Heb deine Strümpfe auf›, zum Beispiel, oder ‹Gib mir Haushaltsgeld› oder auch ‹Küss mich›. Aber Sachen, die mit Gefühlen zu tun haben, begreifen Männer nicht. Und weil sie ahnen, dass sie solche Dinge nicht begreifen, werden sie entweder ärgerlich, oder sie machen sich lustig über die Frauen. Verstehst du?»
    Hella nickte. «Trotzdem. Es ist irgendwie alles anders, als ich es mir vorgestellt hatte», flüsterte sie.
    «Hmm», erwiderte Jutta.
    Hella erschrak. Wenn selbst Jutta nichts einfiel, war ihre Lage bestimmt genauso hoffnungslos, wie sie sich anfühlte.
    «Hmm», wiederholte Jutta. «Das geht allen jungen Ehefrauen so. Irgendwie scheint ihr alle zu denken, dass euch der Honigmond ewig leuchtet, oder?»
    Sie sah Hella prüfend an, aber die bohrte noch immer mit ihrer Schuhspitze zwischen den Pflastersteinen herum.
    «Ist es das, was dich quält?», fragte Jutta weiter.
    Hella hob den Kopf. «Ich weiß es nicht», sagte sie. «Irgendwie ist es so, als gäbe es nichts mehr, worauf ich mich freuen könnte. Die ganze Zeit meiner Jugend lang habe ich darauf gebrannt, endlich verheiratet zu sein, ein eigenes Haus, einen Haushalt, eine Familie zu haben. Jetzt habe ich das und   … und   …»
    Sie brach ab, und Jutta Hinterer vollendete den Satz: «…   und es ist dir, als wäre dein Leben schon vorbei, obwohl du dich noch so jung fühlst und das Leben bisher nicht gehalten hat, was es einst versprach.» Jutta schob die Unterlippe nach vorn. «So oder so ähnlich, stimmt’s?»
    Hella sah auf. «Ja, genau so ist es», bestätigte sie aus ganzem Herzen.
    Die Geldwechslerin nickte und schwieg. Das war so ungewöhnlich für sie, dass Hella erneut erschrak. «Man kann nichts dagegen tun?», fragte sie bang.
    Jutta wiegte den Kopf. «Liebe lässt sich nicht erzwingen», sagte sie. «Sie kommt und geht, wie sie mag. Nicht einmal dem menschlichen Willen beugt sie sich.»
    Hella fuhr hoch. «Nein, das ist es nicht», begehrte sie auf. «Ich liebe Heinz. Jawohl, das tue ich. Daran besteht absolut kein Zweifel. Ich bin ihm eine so gute Ehefrau, wie ich es nur sein kann. Ich liebe ihn. Ich liebe ihn, so wahr mir Gott helfe.»
    Jutta Hinterer nickte. «Dann ist es ja gut», erwiderte sie gleichmütig. «Die Frage lautet dann aber, warum du mit ihm nicht glücklich bist.»
    Hella zog die Unterlippe zwischen die Zähne. «Vielleicht», sagte sie sehr leise, «vielleicht reicht Liebe allein nicht aus, um glücklich zu sein.»
    Die Geldwechslerin sah, dass der jungen Frau das Gespräch unangenehm wurde. Schnell wechselte sie das Thema: «Sag mal, stimmt es, dass ein einzelner Arm gefunden worden ist?», fragte sie nun.
    Hella nickte. «Ja, in der Nacht hat ihn der Wächter entdeckt. Am Abend zuvor war noch nichts zu sehen gewesen.»
    «Weißt du mehr?»
    Hella schüttelte den Kopf. «Woher denn? Heinz verschließt sein Zimmer vor mir. Den Schlüssel trägt er an einem Lederband um den Hals.»
    Die Geldwechslerin winkte ab. «Das hat dich noch nie gestört. Tu nicht so. Ich weiß genau, dass du dir einen Nachschlüssel hast machen lassen. Also, was weißt du darüber?»
    «Nicht mehr als Ihr. Das könnt Ihr ruhig glauben.»
    Ein Kaufmann in fremdländischer Kleidung trat an die Geldwechselstube und drängte Hella zur Seite. «Ich habe Goldflorin, die ich in Frankfurter Geld umtauschen will. Wie steht der Kurs?», fragte er barsch und trommelte ungeduldig mit den Fingernägeln auf das Auslagebrett. Jutta strich sich die langen roten Haare unter die Haube, die wie immer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher