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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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dann gehst du zur Arbeit, kommst am Abend zurück, am Sonntag gehen wir in die Kirche und hin und wieder zu meiner Mutter und Pater Nau ins Pfarrhaus zum Essen. Du bist ansonsten mit deinen Fällen, dem Stadtrat und vor allem in der Ratsschänke beschäftigt.»
    «Was ist daran schlimm? Alle Männer tun ihre Arbeit, und viele erholen sich danach bei einem Schöppchen oder einem Krug Bier.»
    «Dass ich dabei nicht vorkomme in deinem Leben. Außer am Sonntag beim Kirchgang und beim jährlichen Ball des Rates.»
    «Wie?» Heinz Blettner rieb sich ratlos das Kinn. «Du bist doch immer da, oder nicht?»
    «Ja, schon, aber du siehst mich nicht.»
    «Wie bitte? Was sagst du da?»
    «Ich sagte: Du siehst mich nicht.»
    Richter Blettner starrte seine Frau fassungslos an.
    «Aber erlaube mal, natürlich sehe ich dich. Du stehst doch vor mir und siehst richtig appetitlich aus in deinem Unterkleid und mit den aufgesteckten Haaren.» Heinz Blettner lächelte und zog seine Eheliebste näher an sich heran, doch die schlug ihm auf die Hand, begann zu schluchzen und lief in die Küche.
    Der Richter blieb im Flur stehen und seufzte. Er holte ein Schnupftuch aus seiner Rocktasche und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. Es ist wirklich unbarmherzig heiß, dachte er. Wenn es bloß bald regnen würde. Kühlt sich die Stadt ab, wird sich auch Hellas Zorn abkühlen.
    Er verstaute das Tuch ordentlich in seiner Tasche und ging in die Küche, um sich die Gurkensuppe schmecken zu lassen. Das Essen verlief beinahe stumm. Nur hin und wieder war ein Räuspern zu hören, oder ein Löffel klapperte. Beide hatten den Blick fest auf den Teller gerichtet, taten, als sei das Gegenüber Luft. Und doch lauerten Hella wie Heinz auf jeden Lidschlag, jedes Lippenkräuseln. Peinlich höflich baten sie einander um Brot, schenkten sich gegenseitig Minzsud nach.
    Später saßen sie gemeinsam im Wohnzimmer. Hella hatte alle Fenster aufgerissen. Auch die Tür stand offen. Die Vorhänge bauschten sich, doch der Luftzug war noch immer so warm, dass er den Schweiß auf der Haut nicht trocknete. Hella pustete sich hin und wieder eine Haarsträhne aus der Stirn und mühte sich mit dem verhassten Stickrahmen.
    Heinz sah ihr dabei zu. Zu gern hätte er den Satz gesagt, den er sonst immer anbrachte, wenn er Hella sticken sah: «Du sollst den Stoff nicht an den Rahmen fesseln», doch er wusste, dass sein liebevoller Spott heute nicht den gewünschten Erfolg haben würde.
    Noch glänzte die Sonne über dem Taunus, und das Horn des Nachtwächters blieb einstweilen still. Doch die Blettners gingen zu Bett. Sie kehrten einander beim Ausziehen die Rücken zu, krochen mit abgewandten Gesichtern ins Bett, wünschten sich höflich eine gute Nacht.
    Hella war zufrieden, dass sie Heinz ihren Unmut gezeigt hatte. Aber unzufrieden war sie auch. Irgendetwas fehlte. Sogar beim Schweigen fehlte etwas.
     
    Heinz lag lange wach. Er hatte die Hände unter dem Kopf verschränkt und starrte an die Decke. Noch immer drang keine Abkühlung durch die offenen Fenster. Er schob die dünne Bettdecke bis zu den Hüften hinunter, doch als er kalte Schultern bekam, zog er sie wieder hinauf. Dafür streckte er die Füße ins Freie. Er drehte sich auf die linke Seite, aber das Kissen wärmte sein Gesicht so, dass er sich flugs wieder auf den Rücken legte.
    Immer wieder zupfte und zerrte er an seiner Bettdecke. Lag er darunter, war ihm zu heiß, lag er darauf, fand er auch keine Ruhe. Er seufzte, wandte sich zur Seite und betrachtete Hella. Heinz wusste, dass sie nicht schlief. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, zu gleichmäßig aber und zu flach für eine Schläferin.
    Die Decke hatte sie bis zur Nase hochgezogen, und Heinz konnte nur ahnen, wie heiß ihr darunter war.
    «Magst du zu mir kommen?», fragte er, doch Hella tat weiter so, als schliefe sie fest, und reagierte nicht. Da stand er auf, zog den dünnen Morgenrock über, überlegte es sich anders, legte die Nachtsachen ab und stieg in seine Tageskleider.
    «Was hast du vor?», hörte er Hella fragen, als er eben die Schlafkammer verlassen wollte.
    «Ich kann nicht schlafen. Ich bin einfach nicht müde.»
    Er kehrte zurück, setzte sich auf den Bettrand. Obwohl nur das Mondlicht ins Zimmer schien, erkannte er den kummervollen Ausdruck auf Hellas Gesicht.
    Er strich ihr mit zwei Fingern sanft über die Wange. «Es wird alles wieder gut, mein Herz. Du wirst sehen. Du musst nur Geduld haben. Mir dir und mit mir.»
    Sie nickte, dann
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