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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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Fenster, die Beine ausgestreckt, und hoffte, dass sich ein Lüftchen regen mochte. Das sollte ihr unter die Röcke fahren.
    Ihre Arme hingen an den Seiten herab, den Kopf hatte sie nach hinten gelehnt. Ihr Atem ging schwer, und auf ihrer Stirn hatten sich winzige Schweißtropfen gebildet.
    Ungeduldig wartete sie, doch der Knecht schien und schien das Haus verlassen nicht zu wollen. Endlich klappte die Tür.
    Nun nahm sie die Haube ab, steckte ihr Haar im Nacken auf und schlüpfte aus dem schweren Oberkleid mit den langen, bestickten Ärmeln, legte das enge Mieder ab und liefim dünnen Unterkleid barfuß durch das Haus. In der Küche kühlte sie ihre heißen Fußsohlen auf den Fliesen, schöpfte Wasser aus einem Eimer, benetzte die Handgelenke, den Nacken, das Gesicht. Sie stöhnte wohlig auf, goss sich aus einem Krug gekühlten Sud aus frischer Minze in einen Tonbecher und trank gierig. Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und atmete tief aus. Doch sogleich zog sich ihre Stirn in Falten. Sie nahm ein Wams ihres Mannes vom Stuhl, welches er nach dem Mittagessen dort vergessen hatte, klopfte es aus und schüttelte missbilligend den Kopf. «Ich mag nicht mehr», brummte sie vor sich hin. «Ich mag einfach nicht mehr.»
    Sie ließ das Wams fallen, schaute stattdessen in die Töpfe, die die Magd bereitgestellt hatte. Kalte Gurkensuppe mit Dill und Dickmilch. Enttäuscht ließ sie den Deckel wieder auf den Topf fallen. Sie ging ins Wohnzimmer, strich mit der Hand über die polierte Tischplatte, trat ans Fenster, sah auf die menschenleere Fahrgasse hinunter, seufzte, schleppte sich in ihr Schlafzimmer, tupfte sich zwei Tropfen Pfirsichkernöl hinter die Ohren, strich über die glatte Bettdecke, seufzte wieder und wusste selbst nicht, wohin mit sich.
    Endlich hörte sie, wie sich die Haustür öffnete und schloss. Ihr Mann kam heim! Hella Blettner atmete auf und stürzte die Stiege hinab.
    Doch als sie vor ihm stand, war ihr das Lächeln schon wieder verlorengegangen.
    «Wo kommst du so spät her?», fragte sie missmutig.
    «Es ist doch nicht spät. Jedenfalls nicht später als sonst», erwiderte ihr Mann und gab ihr einen Kuss. Ärgerlich wischte sich Hella über die Lippen. «Du stinkst nach Wein.»
    «Wein stinkt doch nicht, Liebes. Ich habe mit dem Schreiber in der Ratsschänke eine Kanne geleert und gehört, was man sich so erzählt in der Stadt.»
    Jetzt stemmte Hella die Hände in die Hüften. «Ach, was man sich so erzählt in der Stadt. Bist du vielleicht ein Waschweib?»
    Heinz Blettner ließ sich von der schlechten Stimmung seiner Frau nicht beeindrucken. «Ich bin Richter. Und als solcher muss ich wissen, was in der Stadt vorgeht. Manchmal kann man so ein Unglück verhindern.»
    «So, wie du das Unglück des armen Hurenmädchens Agnes verhindert hast, was?» Hellas Miene war beinahe schon feindselig.
    Heinz streckte die Hand nach seiner Frau aus, vermied es aber, sie zu berühren. «Was ist denn nur mit dir? Ich weiß ja, dass es dir schwerfiel, in dem Mädchen, das eine Hure, einen Priester, einen Gewandschneider und einen Patrizier umgebracht hat, das Böse zu sehen. Aber warum du seither so gereizt bist, verstehe ich nicht.»
    «Das ist es ja», erwiderte Hella. Ihre Stimme klang weinerlich. «Genau das ist es ja. Du verstehst nichts, gar nichts.» Von einem Augenblick auf den nächsten wirkte sie wie ein verlassenes und ganz und gar unglückliches Mädchen.
    Heinz Blettner zog sein Weib in die Arme. «Was hast du nur? Schon seit ein paar Wochen scheint es, dass du mit nichts zufrieden bist und ich dir überhaupt nichts recht machen kann. Manchmal sitzt du da und schaust ins Leere, dann wieder bist du ungeheuer geschäftig. Und ich höre auch, dass du nachts hin und wieder weinst. Also. Was ist?»
    Hella seufzte und sah zu ihm auf. In ihren Augen schimmertenTränen. Hilflos streichelte Heinz ihr den Rücken. «Sprich mit mir», bat er. «Ich bin doch dein Mann.»
    Hella schüttelte den Kopf. «Ich weiß ja selbst nicht, was mit mir ist. Es ist nur so, dass alles irgendwie anders ist, als ich mir das gedacht hatte.»
    «Was meinst du?»
    Hella hob die Arme. «Ich weiß nicht. Alles einfach.»
    «Unsere Ehe? Unser Haus? Unser Leben?»
    Sie nickte.
    «Ich?», fragte der Richter leiser nach.
    Wieder nickte Hella.
    Heinz Blettner seufzte. «Was ist mit mir? Was passt dir nicht an mir?»
    Hella zog die Schultern hoch. «Ach, ich weiß auch nicht. Es ist immer dasselbe. Wir stehen jeden Morgen auf,
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