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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund
Autoren: James Herbert
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begannen zueinander in Beziehung zu treten. Ich schlug die Augen auf, und die kurzzeitig monochrome Welt war verschwunden; an ihre Stelle war eine reichhaltige bewegte Leinwand getreten, wo jede Farbe zu sich selbst gehörte und sich doch mit ihrem Gegenteil verknüpfte und die Leinwand teilte. Selbst heute entzückt mich noch alles, was ich sehe, und neue überraschende Farben enthüllten sich ohne Warnung, erwecken den Anschein, als würden sie ganz frisch vor mich hingetragen, nur dass ich jetzt begriff, dass sie schon immer da waren, aber dass ich in Wirklichkeit nie hingesehen habe. Die Farben sind jetzt gedämpfter, aber immer noch frischer und interessanter, als sie in der Vergangenheit waren. Ich vermute, das hat etwas damit zu tun, dass die Welt für mich größer ist; dichter am Boden zu sein, bringt mich irgendwie der Natur näher.
    Nachdem ich dieses seltsame Stadium durchlaufen hatte, das ich weder begriff noch mochte, begann ich in meiner Forschung etwas abenteuerlicher zu werden. Ich hob den Kopf vom Stroh und streckte den Hals nach oben. Gesichter zogen vorbei, blickten mit einem seltsam zarten Lächeln auf mich herab. Damals sahen sie für mich alle gleich aus; ich konnte männliche und weibliche Gesichter nicht unterscheiden, auch nicht ein Individuum vom anderen, noch wusste ich, was sie genau waren. Dabei konnte ich seltsamerweise den Unterschied zwischen den kleineren Giganten gleich von Anfang an erkennen, konnte sie nicht nur von den älteren unterscheiden, sondern auch voneinander. Einige von ihnen blickten auf mich herab, lachten, erzeugten mit ihren Mündern seltsame Laute und blickten dann erwartungsvoll auf die größeren hinter ihnen. Über diesen Giganten konnte ich ungeheuer große, graue Ziegelbauten sehen, die sich weit in den Himmel hinaufstreckten — und der Himmel selbst schien so blau, so tief und so klar. Himmel ist das Reinste, was ich je gekannt habe, ob er nun das kalte Azur der Morgendämmerung, das aufregende Kobalt des Tages oder die tiefste, von Silber durchlöcherte Schwärze der Nacht ist. Am dunkelsten Tage, wenn der Himmel von mürrischen Wolken maskiert ist, lässt ein einziges Fleckchen Blau mein Herz hüpfen. Es schien mir damals, als sähe ich den Himmel zum ersten Mal, und in gewisser Hinsicht tat ich das auch — durch andere Augen.
    Ich starrte die blaue Decke ein paar Augenblicke lang gebannt an, bis die Strahlen der Sonne meine Augen tränen ließen und ich schnell blinzeln musste. In dem Augenblick begriff ich, was ich war. Ich war nicht schockiert, denn mein neues Gehirn funktionierte immer noch vorzugsweise so, wie es das sollte; es schlummerten immer noch Erinnerungen in ihm. Ich akzeptierte, was ich war. Erst später stellte ich meinen neuen Anfang in Frage. Aber zu jener Zeit dachte ich, es wäre völlig normal, ein Hund zu sein.

2

    Ist das Zweifel, was ich an dir fühle, oder etwas anderes? Vielleicht ein wenig Furcht. Das einzige, worum ich dich bitte, ist, dass du deinen Geist lauschen lässt, dass du einen Augenblick deine Vorurteile und das, was du glaubst, vergisst; wenn ich mit meiner Geschichte fertig bin, kannst du selbst entscheiden. Es gibt eine ganze Menge, was mir nicht klar ist, und ich weiß auch, dass es das nie sein wird — jedenfalls nicht in diesem Dasein —, aber vielleicht helfe ich dir dabei, dein Leben ein wenig besser zu verstehen. Und vielleicht helfe ich dir, auch weniger Angst zu haben.
    Als ich mich umsah, mit einem Gesichtssinn, der so ganz anders als der deine ist, spürte ich, wie etwas an dem Pelz in meinem Nacken zerrte, und plötzlich fiel das Bett aus Stroh unter mir weg, so dass meine Pfoten verzweifelt in der Luft herumzappelten. Eine riesige rauhe Hand kam von unten, und der Druck wurde von der gespannten Haut an meinem Hals genommen, als ich von unten gestützt wurde. Ich mochte den Geruch der Hände und auch ihre Härte überhaupt nicht. Jeder Geruch war separat und mir im Wesentlichen neu. Sie mischten sich nicht ineinander, um so einen vollständigen Duft zu bilden; jeder hatte seine eigene Identität und verband sich, um den Mann zu repräsentieren. Es ist für mich schwierig, das zu erklären; aber so wie Menschen einander identifizieren, indem sie vor ihrem geistigen Auge die verschiedenen äußerlichen Züge einer anderen Person zusammenfügen — die Form der Nase, die Farben der Augen, des Haares, die Hauttöne, die Art, wie die Lippen geformt sind, den Körperbau —, so fällt es uns Tieren leichter,
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