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Hoellenglanz

Hoellenglanz

Titel: Hoellenglanz
Autoren: Kelley Armstrong
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Bewusstsein, und wir rannten – so schnell und so weit wir konnten.

[home]
49
    M r.Baes Minivan stand eine Meile entfernt auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums. Er hatte ihn erst einen Monat zuvor gekauft und dabei gefälschte Papiere verwendet, damit man das Auto nicht zu ihm weiterverfolgen konnte. Es sah ganz so aus, als hätte es ihm seither als Unterkunft gedient. Er warf seinen Schlafsack und eine Kühltasche nach hinten, und wir stiegen ein.
    Ich weiß nicht, wo wir an diesem Tag schließlich landeten. Irgendwo in Pennsylvania, glaube ich. Niemand fragte. Niemanden interessierte es. Es war eine sehr lange, sehr stille Fahrt. Ich saß mit Tante Lauren hinten, und obwohl ich merkte, dass Derek sich gelegentlich besorgt nach mir umsah, schlief ich unter den murmelnden Stimmen von Simon und seinem Vater, die von vorn herübertrieben, bald ein.
    Ich wachte auf, als Mr. Bae auf den Parkplatz eines Motels fuhr. Er nahm zwei Zimmer, und wir teilten uns auf – die Mädchen in das eine, die Jungen in das andere. Mr. Bae kündigte an, er werde uns Pizza kommen lassen, und dann wollten wir die Lage besprechen. Tante Lauren sagte ihm, er solle sich damit ruhig Zeit lassen. Niemand hatte viel Hunger, und ich war mir sicher, dass Simon und Derek ein bisschen Zeit mit ihrem Vater allein verbringen wollten.
    Liz und Tori schienen zu merken, dass auch ich etwas Zeit mit Tante Lauren brauchte. Liz verschwand – sie sagte, sie werde sich etwas umsehen und am Morgen zurückkommen. Tori erklärte, ihr sei ein bisschen übel von der langen Fahrt und sie werde sich eine Weile draußen in die frische Luft setzen. Tante Lauren bat sie, sich hinter dem Motelgebäude aufzuhalten, damit man sie vom Parkplatz aus nicht sah.
    Das war der Moment, in dem es mir wirklich klarwurde: Wir würden nicht nach Hause gehen, zumindest vorläufig nicht. Und wir würden uns einfach daran gewöhnen müssen, solche Fragen immer mitzubedenken, Fragen wie die, wer uns sehen und erkennen könnte.
    Ich saß neben Tante Lauren auf dem Bett, und sie legte mir den Arm um die Schultern.
    »Wie kommst du zurecht?«, fragte sie.
    »Ganz okay.«
    »Was da passiert ist … in dem Laboratorium …«
    Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Ich wusste trotzdem, was sie meinte – Dr. Davidoff umzubringen. Und ich wusste auch, wenn ich es zur Sprache brachte, dann würde sie sagen, dass ich ihn nicht wirklich umgebracht hatte. Aber ich hatte es getan. Ich wusste noch nicht so recht, wie ich dazu stand, aber Tante Lauren würde nicht der Mensch sein, mit dem ich darüber reden würde. Denn sie würde wollen, dass ich mich besser fühlte, und mir nicht wirklich helfen können, es zu verarbeiten. Dafür brauchte ich Derek, also sagte ich einfach: »Ich komme klar.« Und dann: »Ich weiß, dass ich vorläufig nicht nach Hause gehen kann, aber ich will Dad wissen lassen, dass es mir gutgeht.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das …«
    »Er muss es erfahren. Auch wenn er das mit der Nekromantie und der Edison Group nicht wissen darf. Er muss wissen, dass ich in Sicherheit bin.«
    Sie zögerte ein paar Sekunden, aber als sie meinen Gesichtsausdruck sah, nickte sie schließlich. »Wir finden eine Möglichkeit.«
     
    Als ich mich draußen nach Tori umsah, traf ich sie genauso an wie damals in der Nacht im Lagerhaus, nachdem ihr Vater sie im Stich gelassen hatte. Sie saß einfach da, die Arme um die Knie gelegt, und starrte ins Nichts.
    Es musste entsetzlich für sie sein. Simon und Derek hatten ihren Vater, ich hatte meine Tante zurückbekommen. Und Tori? Tori hatte ihre Mutter sterben sehen. Ganz gleich, wie grässlich Mrs. Enright gewesen war, ganz gleich, wie sehr Tori sie mittlerweile gehasst hatte – sie war immer noch ihre Mutter gewesen. Und doch, Tori war nicht wirklich allein. Sie hatte immer noch einen Vater, einen biologischen Vater zumindest, aber ich hatte das Gefühl, als würde Mr. Bae es nicht eilig haben, es sie wissen zu lassen. Das wäre auch zu grotesk gewesen, etwa als sagte man: »Tut mir leid, dass du deine Mutter verloren hast, aber ich hätte einen Ersatz anzubieten.«
    Ich setzte mich neben sie. »Es tut mir leid wegen deiner Mom«, sagte ich.
    Ein kurzes, bitteres Auflachen. »Wieso? Sie war ein böses, mörderisches Miststück.«
    »Schon, aber sie war
dein
böses, mörderisches Miststück.«
    Tori stieß ein ersticktes Lachen aus und nickte dann. Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange. Ich hätte gern den Arm um sie gelegt,
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