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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen
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zum Vorschein. Er drehte den Deckel auf und nahm einen winzigen Korb heraus, ein aus Weiden geflochtener Fingerhut, der an einem Faden befestigt war. Schwungvoll warf er den Faden zur Decke hoch und ließ gleichzeitig den Korb los. Nun hing er scheinbar schwebend in der Luft.
    »Das ist der Korb«, erklärte Ivy. »Es ist einer der magischen Gegenstände, die wir in Humfreys Sammlung gefunden haben. Er hat ihn augenscheinlich benutzt und zurückgeschickt. Darin wirst du zur Hölle reisen.«
    »Aber in dieses kleine Ding passe ich doch gar nicht rein«, erwiderte Lacuna.
    Grey lächelte. »Dein Körper wird in einem Sarg ruhen, so wie der von Humfrey. Nur deine Seele fährt zur Hölle. Hab keine Angst, dein Körper wird hier in Sicherheit ruhen, bis du zu ihm zurückkehrst.«
    Ivy ging zu einer niedrigen, geschlossenen Bank. Sie hob die Sitzfläche an… ein Sarg! Er war mit weichem Plüsch ausgekleidet. »Leg dich dort hinein«, bat sie.
    Man konnte zwar nicht sagen, daß Lacuna Hintergedanken kamen, aber Zwischengedanken kamen ihr in jedem Fall. In einem Sarg schlafen? Aber wenn sie nur auf diese Weise ihr Ziel erreichen konnte, dann mußte sie es tun.
    Behende stieg sie in den Sarg und legte sich auf den Rücken. Dabei kam sie sich noch viel älter und schwerfälliger vor, als sie sich ohnehin schon fühlte. Grey legte seinen Finger hinter den winzigen Korb in der Luft und schnippte ihn zu ihr herüber. »Steig hier hinein.«
    Lacuna wollte widersprechen, spürte aber, daß sie bereits nach oben schwebte, während der Korb schnell größer wurde. Sie hielt sich am Rand fest und stieg in den Korb. Jetzt war seine Größe genau richtig. Sie konnte aufrecht darin stehen und über den Rand nach unten blicken.
    Dort entdeckte sie ihren riesigen Körper, der im Sarg liegen geblieben war. Er sah in jeder Hinsicht genauso nichtig und leer aus, wie sie es befürchtet hatte.
    Dann schaute sie in die andere Richtung. Auf einmal begann der Korb, sich zu bewegen. Er pendelte am Ende des Seils hin und her, das an dem kräftigen Griff festgeknotet war. Das Zimmer, ja sogar das gesamte Schloß des Guten Magiers waren verschwunden. Ihre Reise hatte begonnen.
    Der Korb neigte sich und schwebte abwärts. Lacuna klammerte sich mit beiden Händen am Rand fest. Dann flog sie durch einen Raum voller Schatten und Wolken. Dahinter konnte sie fahle Lichter ausmachen; wie Blitze machten sie die Umrisse der Wolken plötzlich sichtbar. Einige Wolken erinnerten an monströse häßliche Gesichter, als ob Fracto Cumulus Nimbus, die bösartigste aller Wolken, für sie Modell gestanden hätte.
    Eine Wolke öffnete ihr riesiges Maul, und der Korb flog geradewegs hinein. Sofort veränderte sich die Umgebung. Nun schwebten seltsame Gegenstände unterschiedlichster Größe vorbei, manche so klein wie winzige Eicheln, andere so groß wie riesige Eichen. Das mußte das Traumreich sein, das man ansonsten nur durch das Guckloch im Kürbis betrat. Es gab also noch andere Zugänge. In einem Handkorb zur Hölle! Wer hätte das gedacht! Na ja, zumindest war es aufregend.
    Einige der Szenarien, die sie durchflog, waren allerdings mehr als nur aufregend. Sie waren grotesk. Hier gab es menschliche Gestalten in den verschiedensten Leidenszuständen. Lacuna sah Tiere, die sich verirrt hatten, und eine Sammlung von Gegenständen, die allesamt zerstört erschienen. Eben genau der Stoff, aus dem Angstträume gewebt waren. Sie hingen hier im Limbus und warteten vielleicht darauf, die wahrlich häßlichen Träume jener Schläfer zu bereichern, die es nicht anders verdient hatten. Lacuna hatte selten unter Alpträumen gelitten. Auch das war ein Ausdruck ihres langweiligen Daseins. Wie konnte jemand Alpträume hervorbringen, dem es nicht einmal gelang, irgend etwas zustande zu bringen, wenn auch von zweifelhaftem Nutzen.
    Ein verschwommenes Gesicht tauchte vor ihr auf, weder interessant noch langweilig. Aus seinem Mund quollen Buchstaben in rein zufälliger Reihenfolge. Diese Buchstaben wuchsen im Flug und verwandelten sich in Bilder, die wirklich seltsam waren! Eins zeigte einen Mann, der hilflos mit seinen zwei linken Händen wedelte, wobei er äußerst linkisch aussah. Auf einem anderen war ein Schlachter zu sehen, der einen Berg voller Herzen und Nieren vor sich liegen hatte und sie prüfend abtastete, wobei das Blut aus ihnen hervorquoll. Das dritte zeigte einen Mann, dessen Kopf aus einem Haufen Tierdung bestand.
    Plötzlich begriff Lacuna. »Redensarten!« rief
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