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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Ziele.»
     
    Ist leider nicht von mir. Wie viele Blusen hängen in deinem Schrank, die du nur einmal getragen hast? Und wie viele wären es, wenn du vor dem Kauf nochmal drüber geschlafen hättest?
    Lass mich raten, wie fundamental du deinem Exfreund auf die Nerven gegangen bist mit dem ständigen Gezeter über ein paar Kilo zu viel?
    Hat er dir gesagt, dass es doch eine prima Alternative wäre, statt zu jammern, die Tüte Chips in Frieden zu lassen? Vermutlich nicht. Ich war für so was auch immer zu bequem. Hätte wahrscheinlich ohnehin nichts genützt.
    Entweder ihr seid unglücklich, weil ihr euch zu dick findet, oder ihr seid unglücklich, weil ihr auf Kohlehydrate verzichtet. Oder ihr seid unglücklich, weil ihr schlank seid, aber nicht wisst, ob ihr euer Gewicht halten werdet.
    Euer jeweiliger Gemüts- und Körperzustand muss immer und unter allen Umständen thematisiert werden. Warum könnt ihr nicht einfach mal die Klappe halten und still vor euch hin abnehmen?
    Ich weiß, was du jetzt sagen willst: Dein Charakter sei einfach nicht für den Verzicht geschaffen, zumindest nicht für den stillen Verzicht.
    Und nur weil ich so ein unkommunikativer Einzeller sei, der seine Probleme mit sich ausmacht, solle ich nicht glauben, mein Weg sei der einzig wahre, um durchs Leben zu kommen.
    Das sage ich ja auch nicht. Aber wenn du mich schon fragst: Ja, lieber bräunen statt verbrennen. Nimm den hohen Schutzfaktor und das Stück Schokolade statt der ganzen Tafel. Und schlaf eine Nacht drüber, bevor du mit wem auch immer schläfst.
     
    Andreas
     
    PS: Noch etwas in eigener Sache.
    Ich habe in deiner Küche ein seltsames Gerät entdeckt. Es sieht aus wie eine Mischung aus Vibrator und Moulinette. Ich habe versucht, damit Zwiebeln zu hacken, und hätte dabei fast meinen Daumen filetiert. Was ist das?
     

Von: Linda Schumann
Betreff: Re: Re: Bräunen oder verbrennen?
Datum: 3. Oktober 17   :   42   :   29 MESZ
An: [email protected]
    Hände weg vom Pürierstab, ehe ein Unglück geschieht! Und ja: Ich bin nicht der Typ für stillen Genuss und stillen Verzicht. Stille im Allgemeinen ist nicht so mein Ding. Ich hasse sogar stilles Mineralwasser!
    Mehr kann ich dazu jetzt nicht schreiben, weil ich auf dem Weg zu meinem ersten Blind Date bin. Mit einem gewissen «Lustmolch» ins Theater! Werde dir später berichten. Und du wirst vor Neid erblassen, wenn ich mich heute Abend Hals über Kopf verlieben und eine rauschende Nacht mit meinem künftigen Gemahl verbringen werde – während du nochmal sacken lässt, was du als Nächstes ganz langsam angehen lassen könntest.
     
    Linda
     
    PS: Bin ich froh, dass ich dich nicht kenne. Sonst wäre ich niemals so ehrlich.
    PS 2: Heute müssen die Blumen gegossen werden. Doch, auch die auf dem Balkon. Regen reicht nicht.
     
    Andreas und ich hatten uns genau im richtigen Moment nicht kennen gelernt. Drei Monate nach der traumatischen Trennung von meinem Freund hatte ich beschlossen, die Stadt zu verlassen. Ein Neuanfang schien mir angebracht. Weg von all den Erinnerungen, weg von der Möglichkeit, ihm an jeder Ecke begegnen zu können. Drei Monate wollte ich mir für meine Genesung gönnen. An meinen Übersetzungen konnte ich schließlich überall arbeiten.
    Innerhalb von ein paar Tagen fand ich über die Mitwohnzentrale eine Wohnung in Berlin. Das erste Angebot hatte ich abgelehnt, obschon die Fotos der beiden Zimmer recht einladend aussahen. Aber bei genauerem Nachfragen stellte sich heraus, dass das, was mir der Vermieter am Telefon als «unverbaubaren Fernblick» beschrieben hatte, der Sichtkontakt zur Landebahn des Flughafens Tempelhof war.
    Das zweite Angebot war perfekt. Für alle Beteiligten. Andreas Szabó, Illustrator, bot ab sofort seine Zweizimmerwohnung am Prenzlauer Berg an und suchte – ich zitiere die Mitwohnzentrale: «Egal was. Möglichst sofort. Mindestens dreihundert Kilometer weg von Berlin. Kleine Stadt. Erst mal für drei Monate.»
    Na, da schien einer genauso dringend sein Leben verlassen zu wollen wie ich. Und so hatten wir einfach getauscht, sein Leben gegen meins, mein Leben gegen seins. Wir haben uns nie gesehen. Sind einfach am selben Tag und zur selben Zeit losgefahren und haben die Schlüssel bei den Nachbarn hinterlegt.
    Zunächst tauschten wir nur E-Mails aus wie «Muss man deinen Toaster bedrohen, damit er funktioniert?» (von mir) oder «Wie konntest du mit einer Nachbarin existieren, die zum Aufstehen Whitney Houston aufdreht?» (von ihm). Oder:
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