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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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mich an.
    Ich starrte zurück.
    Hier war ganz offensichtlich etwas fundamental schief gelaufen.
    «Sie sind Sexgott siebenundzwanzig?», fragte mich der kleine, dickliche Türke mit entsetzter Stimme. «Aber Sie sind ja eine Frau! Und noch nicht mal blond!»
    Er schaute mich so angewidert an, als sei Weiblichkeit in Kombination mit mittelbraunem beziehungsweise kastanienbraunem Haar eine ansteckende Krankheit mit unbedingter Todesfolge.
    Na bravo! Mein erster Versuch, über eine Dating-Agentur jemanden kennen zu lernen, und man vermittelt mir einen untersetzten Homosexuellen mit schlechten Umgangsformen in einem lila changierenden Anzug auf der Suche nach Sexgott siebenundzwanzig. Ich war beleidigt.
    Dass der Name «Sexgott» bei der Agentur offenbar schon siebenundzwanzigmal gewählt worden war, ist für die gesamte Männerwelt bezeichnend und beschämend. Die siebenundzwanzig Sexgötter würde ich gerne mal in einer Reihe stehen sehen. Bestimmt ein göttlicher Anblick.
    «Nein, das bin ich nicht», sagte ich so beherrscht wie möglich. «Aber Sie sind auch nicht blond. Und schlank schon gar nicht. Und gebildet sind Sie höchstwahrscheinlich auch nicht.»
    Das Klingeln, das den baldigen Beginn der Vorstellung ankündigte, zwang uns, eine Entscheidung zu treffen.
    «Ich möchte mir die Aufführung ungern entgehen lassen», sagte ich spitz und fand, dass ich mich anhörte wie eine Frau, die Broschen trägt und «Psssst!» zischt, wenn ihr Mann im Theater laut lacht. Lustmolch hatte mich in ein paar Sekunden zu einer Person gemacht, die ich nie sein wollte. Dafür hasste ich ihn umso mehr.
    Er folgte mir schweigend zu unseren Plätzen, und bis zur Mitte des Stücks würdigten wir uns keines Blickes mehr. Dann bekam ich eine SMS, was, fürchte ich, auch den Schauspielern auf der Bühne nicht entging. Das durchdringende zweimalige Piepsen wurde durch meine Handtasche kaum gemildert. Ich schämte mich zu Tode – und hätte Lustmolch meucheln können, der sich demonstrativ an die Stirn tippte.
    Zwei Minuten später erhielt auch er eine SMS, und es ertönte ein dreimaliges schrilles Wiehern. Leute mit pseudowitzigen Klingeltönen mag ich ja ganz besonders. Wahrscheinlich konnte ich noch dankbar sein, dass das Handy meines missratenen Sitznachbarn nicht rülpste oder pupste. Meine Laune verschlechterte sich zusehends.
    Wie sich herausstellte, hatten wir beide eine SMS von der Agentur «Lucky Numbers» bekommen. Man teilte uns mit, dass es durch einen Zahlendreher bei der Eingabe unserer Kundennummern zu einer irrtümlichen Vermittlung gekommen sei. Wir möchten den Fehler entschuldigen, unsere Gebühren würden selbstverständlich erstattet werden.
     
    Ich war vom Stück und meinem Begleiter so genervt, dass ich es bitter bereute, auf einem teuren Mittelplatz in der fünften Reihe zu sitzen. Da kann man sich nicht einfach rausstehlen – schon gar nicht, wenn man bereits durch Piepsen und Wiehern einen schlechten Eindruck gemacht hat.
    Eine Pause hatte «Die Frau vom Meer» leider nicht zu bieten. Dafür aber ’ne Menge Meer. Es waberte in Form von Kunstnebel über die Bühne, und ich hatte gleich so ein Gefühl, dass der zuständige Techniker die Nebelmaschine womöglich etwas zu großzügig betankt hatte.
    Die Darsteller waren nach einer Stunde eigentlich überhaupt nicht mehr zu sehen, und so langsam quoll der Nebel auch ins Parkett. Die ersten beiden Reihen waren schon komplett vernebelt, und ich fand das sehr amüsant, wie feine Damen versuchten, möglichst elegant mit ihrem Programmheft zu wedeln, um den klammen Dunst von ihren Lammfelljäckchen fern zu halten. Ich dachte an «The Fog – Nebel des Grauens» und genoss das Schauspiel – bis der türkische Lustmolch neben mir plötzlich anfing zu röcheln und seine Hand so heftig in meinen Unterarm krallte, dass ich sofort wusste, das würde einige ordentliche Blutergüsse hinterlassen. Ich neige nämlich zu blauen Flecken. Nach einer besonders herzlichen Umarmung oder etwas zupackenderem Geschlechtsverkehr sehe ich immer so misshandelt aus, dass mich jedes Frauenhaus mit Kusshand nehmen würde.
    «Der Nebel!», japste Lustmolch. «Mein Asthma! Ich muss hier raus!»
    Das Meer hatte mittlerweile auch unsere Reihe erreicht.
    Ich packte Lustmolchs Hand und zog ihn Richtung Ausgang. «Ein Notfall», flüsterte ich entschuldigend den Leuten zu, die unseretwegen aufstehen mussten. Bei dem ein oder anderen hatte ich den Eindruck, Neid im Gesicht zu sehen, weil da zwei dem
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