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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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für einem Mann wollen Sie am Wochenende ausgehen?» eingegeben hatte. Vorher hatte ich bereits meine Kreditkartennummer preisgegeben und zugestimmt, dass bei erfolgreicher Vermittlung von meinem Konto 9   Euro 95 abgebucht würden.
    Ja, ja, natürlich hatte ich mich im Vorfeld hinlänglich geschämt. Erstens dafür, dass ich meinte, so was überhaupt nötig zu haben: eine Verabredung gegen Geld mit einem Unbekannten! Wie tief war ich gesunken? Und das Schlimme an diesem Unbekannten wäre ja in jedem Fall, dass er auch meinte, so was nötig zu haben. Da treffen sich also zwei Verzweifelte, die sich und den anderen dafür verachten, dass sie auf diese Weise zusammenkommen. Wie soll das gut gehen?
    Eigentlich möchte ich nichts zu tun haben mit einem Kerl, der 34   Euro 95 zahlt – es gibt einen Überschuss an suchenden Männern, deswegen müssen die mehr zahlen –, um mit einer Frau wie mir auszugehen. Und wennschon, dann soll er wenigstens erfolgreich, klug und schön sein. Und blond. So was hatte ich nämlich noch nicht. Zumindest nicht in dieser Kombination.
    Was mich dennoch motivierte, per Internet einen Mann für Samstagabend und am liebsten auch für das darauf folgende Leben zu suchen, war der Alkoholgehalt in meinem Blut, als ich auf «Daten abschicken» klickte.
    Es war Freitagabend, und ich hatte den ersten Monat überlebt, in einer fremden Stadt und einer fremden Wohnung – und das mit dem gewöhnungsbedürftigen Status «frisch getrennt» beziehungsweise «frisch verlassen».
    Nach einer drei viertel Flasche Sekt hatte ich mir den Eindruck angetrunken, einen Grund zum Feiern zu haben und unwiderstehlich zu sein. Außerdem hatte ich gelesen, dass sich mittlerweile die meisten Paare per Internet kennen lernen. Ich goss noch ein Gläschen nach, bevor ich mich daranmachte, mein «Profil» zu erstellen. Das war schwierig, denn es galt, ein ausgewogenes Verhältnis zu finden zwischen Ehrlichkeit und Auslegbarkeit.
    Körpergröße eins siebzig und Alter fünfunddreißig lassen natürlich kaum Interpretationsspielraum zu. Mein Körpergewicht jedoch rundete ich großzügig nach unten ab, weil da ja so Dinge eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen wie die spezifische Knochendichte und der Wasseranteil im Gewebe. Und außerdem stellt man sich ja üblicherweise beim Kennenlernen nicht als Erstes vor den Augen des anderen auf die Waage.
    Ich denke auch, dass die Angabe «kastanienbraunes Haar» als korrekt gelten darf, weil man ja heute mit Tönungen schöne Ergebnisse erzielen kann. Und bis sich dann die Farbe nach und nach rauswäscht, ist der Unbekannte längst kein Unbekannter mehr und hat schon deine inneren Werte entdeckt. Und wenn ihn die nicht abschrecken, wird es dein langsam zum Vorschein kommendes, stumpfes, mittelbraunes Haar auch nicht tun.
    Auch die Angabe «gebildet und humorvoll» machte ich mit relativ kleinem schlechtem Gewissen. Ich finde, der Begriff Bildung ist doch heutzutage ein überaus dehnbarer geworden. Die einen erwarten von dir, dass du das Werk Schopenhauers auswendig kennst. Die anderen halten dich für bescheuert, wenn du nicht weißt, dass die Sentenz «Schmerz ist, wenn Schwäche den Körper verlässt» von Arnold Schwarzenegger stammt.
    Ich finde, mit einem durchschnittlichen Abitur, zwei abgebrochenen Studiengängen, einer Übersetzer-Ausbildung und diversen Hesse-Romanen mit eigenhändig unterstrichenen Passagen im Regal darf ich mich getrost als gebildet bezeichnen.
    Und wem das nicht reicht, dem komme ich mit dem wunderbaren Begriff «emotionale Intelligenz». «Herzensbildung» hieß das, glaube ich, früher, als es noch Poesiealben und Kaugummiautomaten gab. Auf diesem Fachgebiet macht mir keiner so leicht was vor. Mein Herz ist gebildet und gebeutelt und natürlich mehrfach gebrochen.
    Ein wenig gezögert hatte ich bei dem Begriff «humorvoll». Ich meine, ich bin selbstverständlich total humorvoll, halte mich für irrwitzig witzig und kann herzlich und lang anhaltend über meine eigenen Scherze lachen. Das schon. Aber man muss vorsichtig sein, denn mit einem ausgeprägten Eigenhumor kann man Männer leicht abschrecken.
    Viele betrachten eine Frau ja nur dann als angenehm lustig, wenn sie keinen Wert auf eigene Scherze legt, dafür aber umso hingebungsvoller über die des Mannes lacht.
    Trotzdem entschied ich mich, in meinem Profil meinen Humor nicht zu verschweigen. Ähnlich wie ein Buckel oder schiefe Zähne ist er ja auch auf Dauer schlecht zu verbergen, zumal
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