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Höchstgebot

Höchstgebot

Titel: Höchstgebot
Autoren: Hoeps/Toes
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Heimat zurück. In seiner Personalakte hatte Micky eine Kopie seines deutschen Passes gefunden.
    »Die Einzahlungen und Abhebungen wurden alle in bar vorgenommen«, fuhr sie fort. »Hast du das getan?« Sie duzte ihn jetzt ganz bewusst, ein taktischer Schachzug, um anzudeuten, dass sie das Problem zusammen in aller Vertraulichkeit lösen konnten.
    Hans Auber drehte jedoch den Kopf weg und blickte durch die großen Fensterscheiben, die Aussicht auf die Lagerhallen und den Parkplatz der Mondifra bv boten.
    Micky schlug ein paar Seiten in ihrem Ordner um. »Hier habe ich die entsprechenden Quittungen und Belege.« Alle diese Unterlagen hatte Micky in einer wasserdichten Mappe in der Vertiefung des Reservereifens von Aubers Leasingfahrzeug gefunden.
    Hans Auber hob das Gesicht zu dem Designkronleuchter über dem Konferenztisch.
    »Die Beträge sind ganz unterschiedlich, aber sie stimmen jedes Mal mit dem Wert der gestohlenen Ladungen überein«, fuhr sie fort. »Auf dem Schwarzmarkt, wohlgemerkt.«
    Auber schloss die Augen und kniff sie fest zusammen. Fluchtverhalten, konstatierte Micky. Er akzeptierte noch immer nicht, dass ihm das Wasser bis zum Hals stand. Sie klopfte mit dem Stift gegen den Rücken des Ordners, um seine Aufmerksamkeit wiederzuerlangen.
    »Das sind doch deine Unterschriften, oder?«, fragte sie mit Nachdruck.
    Auber schüttelte heftig den Kopf, als könne er Mickys Anschuldigungen nicht verkraften.
    »Wirklich nicht?«, fragte sie. »Du kannst es mir ruhig sagen!« Sie ließ jetzt absichtlich ihre Ungeduld durchschimmern. Auber stand kurz vor einem Geständnis. Er machte sich nicht mehr die Mühe, offen zu leugnen. Früher hätte sie nun einen zweiten Befrager eingeschaltet, um dem Verdächtigen mit sanften Worten den letzten Anstoß zu geben. Diesmal musste sie diese Aufgabe selbst übernehmen.
    »Ich weiß, dass es schwer ist, Hans«, sagte sie und hoffte, sie klang ausreichend verständnisvoll. »Wir müssen nur noch ein bisschen weitermachen, dann haben wir es hinter uns und du kannst noch einmal neu …«
    »Das ist eine Riesensauerei!«, unterbrach Auber sie fast schreiend. »Erkennst du das denn nicht? Ich würde das niemals so aufziehen!«
    Er zog sich die Krawatte vom Hals und warf sie zusammengeknüllt beiseite. Dann sprang er auf, packte den Bürostuhl und hob ihn über den Kopf.
    »Meneer Auber! Das bringt doch nichts!«, versuchte Micky, ihn zu bremsen.
    Ihr Verdächtiger stieß einen Schrei aus und begann, sich im Kreis zu drehen, wobei er den Stuhl keuchend vor Wut in Augenhöhe mit sich schleuderte.
    »Ganz ruhig!«, rief sie. »Du machst alles nur noch schlimmer …«
    Aubers Keuchen ging in einen lang gezogenen, heiseren Schrei über, während er mit dem Bürostuhl durch das Zimmer wirbelte. Jeden Augenblick konnte er ihn loslassen. Micky stieß ihren Bürostuhl zurück und hechtete unter den Konferenztisch. Es ging nicht anders, sie musste ihre alten Kollegen zu Hilfe rufen. Wo war ihr Handy? Sie zog ihre Handtasche heran, die neben einem Stuhlbein stand, und kippte sie aus, während ein Bein des Bürostuhls den Designkronleuchter streifte und einige der Glasanhänger klirrend auf dem Tisch zersprangen.
    Micky wühlte ihr Handy aus dem Wust des Tascheninhalts heraus. Im selben Moment schallte ein tiefer, alles übertönender Summton durch den Konferenzraum. Das Pausensignal.
    Auber stieß einen Fluch aus und warf den Stuhl so von sich weg, dass er unter den Tisch rutschte und erst vor Mickys Nase stoppte. Kurz darauf tauchte auch Aubers gequältes Gesicht in Mickys Blickfeld auf. Er kroch auf sie zu. Sie wich zurück, aber er packte sie am Handgelenk und zerrte sie zu sich hin.
    »Der Chef«, flüsterte er heiser und starrte sie eindringlich an.
    Sie bog sich nach hinten weg. Auber ließ sie los, zog sich zurück und stand auf. Noch während sie sich an der Tischkante hochzog, knallte er die Tür zu. Ihr war schwindelig. Sie schob eines der Fenster auf und holte tief Luft. Draußen gingen die Mitarbeiter bereits über den Hof zur Kantine.
    Als ihr die Ironie bewusst wurde, dass sie schon gleich bei ihrem ersten Auftrag ihre früheren Kollegen um Hilfe hatte rufen wollen, erschien Auber unten in ihrem Blickfeld. Entschlossen ging er auf die Lagerhallen jenseits des Hofs zu.
    Mondifra war ein Familienunternehmen, das von der Montage und dem Vertrieb von Spezialmaschinen für den Straßenbau lebte. Ein Familienunternehmen deshalb, weil der alte Borgsteel seinen Sohn Jelmer in die
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