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Höchstgebot

Höchstgebot

Titel: Höchstgebot
Autoren: Hoeps/Toes
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dass das Feuer im Auslieferungsraum gelegt worden war. Nein, er hatte nichts Auffälliges gesehen oder gehört. Wieder musste er die ungläubigen Blicke der Beamten aushalten, die ihn verhörten. Er verriet aber nicht, dass er eingeschlafen war.
    Erst nachdem in der verkohlten Hand der Leiche der Schlüssel zum Auslieferungsraum gefunden wurde, ließ man Raik abends nach Hause gehen. Es hatte ganz den Anschein, als sei ein Brandstifter bei der Ausübung seiner Tat umgekommen.
    Auf Raiks Frage, wer denn da nun umgekommen sei, erhielt er keine Antwort. Und auch seine Uniform erhielt der Wachmann nicht zurück.
    Doch noch am selben Abend wurde deutlich, dass er sie sowieso nicht mehr brauchen würde, als sein Handy wieder den Bob-Marley-Hit dudelte und er die Nummer seines Chefs erkannte.
    Diesmal war der Anruf ausschließlich für ihn bestimmt.
    Raik erwartete ein paar aufmunternde Worte, und die bekam er auch zu hören. Aber Drogenkonsum während der Arbeit plus ernsthafte Pflichtverletzung, tja … das waren nun mal zwei Gründe, von denen bereits jeder einzelne zur fristlosen Kündigung führte.
    »Der Joint hatte nichts damit zu tun«, betonte Raik später am Abend seiner Freundin Gabi gegenüber. »Gezielte Brandstiftung, da machst du nichts.«
    Doch ihr grimmiger Blick zeigte ihm, dass sie ganz anders darüber dachte.

3
    Micky Spijker war in ihrer Zeit bei der Polizei oft mit erwachsenen Männern und Frauen konfrontiert gewesen, die ihre Unschuld auf das Grab von Vater, Mutter, Kind beschworen. Für gewöhnlich nahm sie diese Beteuerungen als das, was sie waren: ein Zeichen von Schwäche. In neun von zehn Fällen stellte sich nämlich heraus, dass die lieben Verwandten noch lebten. Und wenn nicht, machte es einen Verdächtigen nicht glaubwürdiger, in Ermangelung lebendiger Zeugen Tote zu Hilfe zu rufen.
    Oft folgte ein Wutausbruch, wenn sich herausstellte, dass Schwüre nicht halfen. Meist ließ Micky ihr Gegenüber dann ein paar Minuten Dampf ablassen, bevor sie mit der nächsten Frage weitermachte. Wenn die betreffende Person völlig durchdrehte, reichte ein Druck auf den Notrufknopf. Innerhalb weniger Sekunden stürmten die Kollegen von der Wache herein, warfen den Randalierer gekonnt zu Boden, legten ihm Handschellen an und brachten ihn in seine Zelle.
    Auch der Mann, den Micky nun bereits seit über zwei Stunden ohne Pause einem Verhör unterzog, hatte seine Zuflucht bei einem solch heiligen Eid gesucht. Er hieß Hans Auber und war Leiter der Buchhaltung im Arnheimer Unternehmen Mondifra bv . Er schwor auf das Grab seiner Frau, dass er nichts mit dem groß angelegten Diebstahl zu tun habe, der Mondifra – und insbesondere dem Direktor und Hauptaktionär Atte Borgsteel – einen Verlust von mehreren Hunderttausend Euro beschert hatte. Da Micky in der Personalakte von Hans Auber gelesen hatte, dass er vor acht Monaten Witwer geworden war, setzte sie eine mitleidige Miene auf.
    Dann spielte sie einen neuen Trumpf aus: die schriftlichen Beweise, dass Hans Auber seine Gewinne aus dem Diebstahl auf einem Auslandskonto deponiert hatte. Auber war nicht besonders professionell vorgegangen. Geradezu stümperhaft sogar. Aber so etwas kam in den besten Kriminellenkreisen vor, wie sie im Laufe ihrer Polizeikarriere immer wieder festgestellt hatte. Die Damen und Herren leugneten dann nicht nur aus juristischen Gründen, sondern schon allein aus Scham über die Dummheit, dank derer sie aufgeflogen waren. Und weil Scham viel mühsamer zu überwinden war als ein Schuldgefühl, ergab es wenig Sinn, den Verdächtigen in dieser Phase des Verhörs hart anzufassen.
    Hans Auber schien eine Ausnahme zu sein. Beim Anblick der kopierten Kontoauszüge brach er in Tränen aus. Ein solcher Weinkrampf leitete meist die totale Kapitulation ein.
    »Diese Auszüge tragen Ihren Namen«, sagte sie streng, während Auber ein Taschentuch aus der Hosentasche fischte.
    Sie wartete einen Moment, bis er wieder aufblickte. »Als Adresse haben Sie das Postfach der Mondifra bv angegeben. Ich rede hier von dem Konto bei der Volksbank in Kranenburg, einem Institut, das nur fünfhundert Meter von der Grenze entfernt liegt und übrigens nicht mehr an das Bankgeheimnis gebunden ist …«
    Hans Auber tupfte sich das feuchte Gesicht ab. Das Guthaben auf dem letzten Auszug war hoch genug, um sich eine hübsche Villa anzuschaffen, wenn auch in Deutschland, wo die Immobilienpreise bedeutend niedriger lagen, aber vielleicht wollte Hans gern in seine alte
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