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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nicht albern sein. Ich habe mir dann die Freiheit genommen, ihm ein Bromid zu verordnen, und konnte ihn so endlich zum Schlafen bringen, nachdem ich dem jungen Lord Saint-George klargemacht hatte, er solle ihn in Ruhe lassen.
    Rücksichtsvoll ist nicht eben das Wort, das ich auf Seine junge Lordschaft anwenden würde, aber man muß seine Hänseleien zum Teil wohl auch dem Champagner zuschreiben.
    Seine Lordschaft erschien mir am Morgen ruhig und gefaßt, worüber ich sehr erleichtert war, denn es gab noch viel zu tun. Da wir etliche Freunde aus bescheidenen Verhältnissen mit einem Sondertransport erwarteten, mußte ich dafür sorgen, daß sie sich wohlfühlten und sich nicht verloren vorkamen.
    Nun, liebe Mutter, wir haben also schon früh einen leichten Lunch zu uns genommen, und dann mußte ich Ihre Lordschaften ankleiden und zur Kirche bringen. Mein Herr war fügsam wie ein Lamm und machte mir keinerlei Schwierigkeiten, scherzte nicht einmal wie üblich, aber Lord Saint-George war die Ausgelassenheit selbst, und ich hatte mit ihm alle Hände voll zu tun. Fünfmal tat er so, als ob er den Ring verlegt hätte, und gerade als wir aufbrechen wollten, verlegte er ihn wirklich; aber Seine Lordschaft fand ihn mit seinem gewohnten detektivischen Spürsinn wieder und nahm ihn persönlich an sich. Trotz dieses Mißgeschicks bekam ich sie pünktlich in die Kirche, und ich muß sagen, sie machten mir beide Ehre. Ich weiß nicht, wer Seine junge Lordschaft in gutem Aussehen übertreffen sollte, aber für meinen Geschmack ist es gar keine Frage, wer von beiden der feinere Herr ist.
    Die Dame ließ uns, wie ich dankbar vermerke, nicht warten; und sehr gut sah sie aus, ganz in Gold gekleidet und mit einem schönen Chrysanthemenstrauß. Sie ist ja nicht eigentlich hübsch, aber eindrucksvoll, wie ich es einmal nennen möchte, und sicher ist, daß sie für niemand anderen einen Blick hatte als für Seine Lordschaft. Begleitet wurde sie von vier Damen des College, nicht als Brautjungfern gekleidet, sondern alle recht adrett und damenhaft. Seine Lordschaft war während der ganzen Zeremonie sehr ernst.
    Danach begaben wir uns alle zu einem Empfang ins Stadthaus Ihrer Gnaden, der Herzoginwitwe. Ich war sehr angetan vom Verhalten Ihrer neuen Ladyschaft gegenüber den Gästen; sie war offen und freundlich zu allen Ständen, aber natürlich hätte Seine Lordschaft auch nie eine andere gewählt als eine Dame in jeder Beziehung. Ich erwarte von ihrer Seite keinerlei Unannehmlichkeiten.
    Nach dem Empfang schafften wir Braut und Bräutigam heimlich durch die Hintertür hinaus, nachdem wir sämtliche Zeitungsreporter in den Salon gesperrt hatten. Und nun, liebe Mutter, muß ich Dir erzählen …

MISS LETITIA MARTIN, DEKANIN DES
    SHREWSBURY COLLEGE ZU OXFORD, AN MISS
    JOAN EDWARDS, DOZENTIN UND TUTORIN
    FÜR NATURWISSENSCHAFTEN AM SELBEN
    INSTITUT
     
    Liebe Teddy,
    So! Wir hatten also unsere Hochzeit – ein Tag, der in der Collegegeschichte rot angestrichen gehört! Miss Lydgate, Miss de Vine, die kleine Chilperic und meine Wenigkeit waren die Brautjungfern, und die Rektorin hatte die Rolle des Brautvaters übernommen. Nein, meine Liebe, wir haben uns nicht kostümiert. Ich persönlich finde ja, wir hätten in akademischer Tracht symmetrischer gewirkt, aber die Braut meinte, der »arme Peter« werde auch so schon genug unter den Schlagzeilen zu leiden haben. Wir sind also einfach im Sonntagsstaat hingegangen, ich in meinem neuen Pelz. Es erforderte unser aller gemeinsame Bemühungen, Miss de Vines Haare hochzustecken und oben zu halten.
    Die ganze Familie Denver war auch da; die Herzoginwitwe ist süß, eine richtige kleine Marquise aus dem achtzehnten Jahrhundert, aber die Herzogin kam mir vor wie ein Drachen, sehr verstimmt und steif wie ein Schürhaken. Es war köstlich zu beobachten, wie sie die Rektorin von oben herab zu behandeln versuchte – unnötig zu sagen, daß sie bei ihr nicht landete! Dafür schlug der Rektorin dann in der Sakristei die Stunde der Verlegenheit. Sie wollte gerade mit ausgestrecken Händen und einer Gratulationsrede auf den Lippen dem Bräutigam entgegengehen, da packte er sie einfach und gab ihr einen Kuß, und nun werden wir nie erfahren, was sie hatte sagen wollen! Dann küßte er uns alle der Reihe nach (tapferer Mann!), und Miss Lydgate wurde so von ihren Gefühlen übermannt, daß sie den Kuß herzhaft erwiderte. Danach war dann der Brautführer an der Reihe – der schöne Saint-George –, und nach
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