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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall
Autoren: Dorothy L. Sayers
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dieser Umarmungsorgie mußten wir Miss de Vines Haare wieder hochstecken. Der Bräutigam schenkte jeder Brautjungfer eine wunderschöne Kristallkaraffe mit einem Satz geschliffener Gläser dazu (für Sherry-Partys – hoch lebe seine frivole Seele!) und die Rektorin bekam einen Scheck über 250 Pfund für das Latymer-Stipendium, was ich eine hübsche Summe nenne.
    Aber nun vergesse ich in meiner Aufregung ganz die Braut! Ich hätte nie gedacht, daß Harriet Vane so eindrucksvoll aussehen könnte. Ich sehe sie immer noch als die ungelenke, zerzauste kleine Studienanfängerin, mit knochiger Figur und ewig unzufriedenem Gesicht. Gestern sah sie aus wie ein Renaissanceporträt, das aus dem Rahmen gestiegen war. Zuerst schrieb ich das dem Goldlamé zu, aber bei näherem Hinsehen glaube ich doch, es war die Liebe. Es war schon irgendwie großartig zu sehen, wie diese beiden einander nahmen, als ob nichts und niemand sonst zählte oder auch nur existierte; ich habe zum erstenmal einen Bräutigam gesehen, der genau zu wissen schien, was er tat, und es tun wollte.
    Auf dem Weg nach London – ach, übrigens hat Lord Peter sich energisch gegen Mendelssohn und Lohengrin verwahrt, und wir wurden mit Bach aus der Kirche gespielt – hatte man den Herzog gnädig von seiner verstimmten Herzogin erlöst und mir zur Unterhaltung anvertraut. Er sieht sehr gut aus und ist dumm auf die landadlige Art; äußerlich ist er ein in die heutige Zeit versetzter Heinrich VIII, nur nicht so aufgedunsen und ohne Bart. Er fragte mich ein wenig besorgt, ob ich denn glaubte, »das Mädchen« habe wirklich etwas für seinen Bruder übrig, und als ich antwortete, ich sei mir dessen völlig sicher, vertraute er mir an, er habe Peter nie ganz verstanden und nie damit gerechnet, daß er einmal seßhaft werden würde, und nun hoffe er sehr, daß es gutgehe. Ich glaube, irgendwo in einem Eckchen seines Gehirns lauerte der stille Verdacht, Bruder Peter könne vielleicht dieses kleine gewisse Etwas haben, das ihm selbst fehlt und das er ganz gut brauchen könnte, wenn er nur nicht immer auf die Leute Rücksicht nehmen müßte.
    Der Empfang bei der Herzoginwitwe war ein Riesenspaß – und endlich kriegte man bei einer Hochzeit einmal genug zu essen – und zu trinken! Schlecht kamen dagegen die armen Reporter weg, die inzwischen etwas gewittert hatten und in Bataillonsstärke anrückten. Sie wurden gleich an der Tür von zwei hünenhaften Dienern gepackt und mit dem Versprechen, daß »Seine Lordschaft gleich zu ihnen kommen« werde, in einen Raum gepfercht. Schließlich ging »Seine Lordschaft« dann auch hin – allerdings nicht Lord Peter, sondern Lord Wellwater vom Außenministerium, der eine ausführliche und hochwichtige Erklärung zu Abessinien abgab, die nicht anzuhören keiner gewagt hätte. Bis er damit fertig war, hatten unsere Lord- und Ladyschaft sich durch die Hintertür davongeschlichen, und so blieben für die Reporter nur noch ein Zimmer voller Hochzeitsgeschenke und die Reste vom Kuchen. Aber die Herzoginwitwe sah sie dann und war sehr nett zu ihnen, und so trollten sie sich schließlich einigermaßen zufrieden, allerdings ohne Photos und ohne irgendwelche Informationen über die Flitterwochen. Ich glaube überhaupt, daß niemand außer der Herzoginwitwe weiß, wohin Braut und Bräutigam wirklich gefahren sind. So – das wär’s; ich hoffe von Herzen, daß die beiden so richtig glücklich sind. Miss de Vine findet, es sei zuviel Intelligenz auf beiden Seiten im Spiel – aber ich habe ihr gesagt, sie soll nicht so ein eingefleischter Pessimist sein. Ich kenne haufenweise Ehepaare, die beide so dumm sind wie die Eulen und gar nicht glücklich dabei – also hat wohl weder das eine noch das andere wirklich etwas zu bedeuten, nicht?
    Herzliche Grüße,
Letitia Martin
     
    AUSZÜGE AUS DEM TAGEBUCH DER
HONORIA LUCASTA,
HERZOGINWITWE VON DENVER
     
    20. Mai. – Peter rief heute morgen an, furchtbar aufgeregt, der Ärmste, um mir zu sagen, daß er und Harriet wirklich und wahrhaftig verlobt sind und das alberne Außenministerium ihn nach dem Frühstück gleich wieder schnurstracks nach Rom geschickt hat – sieht denen ähnlich – man sollte meinen, sie tun es mit Absicht. Vor lauter Empörung und Glück redete er vollkommen durcheinander. Legt allergrößten Wert darauf, daß ich mich mit Harriet in Verbindung setze und ihr zu verstehen gebe, daß sie willkommen ist – das arme Kind, es muß hart für sie sein, hier alleingelassen zu werden
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