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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi
Autoren: Jörg Maurer
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Stimmungskanone um eine Schweigeminute für den Zitherer, alle standen auf und gingen in sich. Es folgte, natürlich, eine Brass-Fassung von
Highway to hell.
Dann kündigte der Stimmungsteufel ein besonderes Highlight des heutigen Heimatabends an: Biertisch-Lupfen. Die Spielregeln wurden nicht erklärt, aber sie waren evident. Ein besonders fetziger Marsch ertönte, dazu stiegen im ganzen Saal die Biertische hoch, geschultert von den Kräftigsten am Tisch. Darauf standen die leichtgewichtigsten Damen oder schmächtigsten
Herren, die an den Tischen zu finden gewesen waren, diese mussten während des Biertisch-Lupfens eine Mass Bier bis zum letzten Tropfen austrinken. Einige Tische kippten und wackelten gefährlich, bei anderen drohten die Obenstehenden auf den feuchten Sauerkrautresten auszurutschen. Siegertisch war der, dessen Trinker am schnellsten den leeren Bierkrug vorweisen konnte. Und die Firmen im Kurort hatten fette Preise gestiftet: Eine Ballonfahrt rund um das Werdenfelser Land, ein Verwöhnwochenende in Waltrauds Wohlfühloase, ein Schnupperflug mit einem Paraglider.
     
    Jennerwein war mit der festen Absicht hierhergekommen, sich zu entspannen, nicht an den Fall zu denken, doch ganz gelang ihm das nicht. Die Frau war tot, der Mann schwieg immer noch beharrlich, und beide entsprachen nicht der Beschreibung des Zither Beppi. Wo war dieser dritte Mann? Gab es ihn überhaupt? Jennerwein versuchte den Gedanken wegzuschieben. Heute war ein freier Tag, heute war auch sein freier Tag. Er blickte hoch auf die Bühne. Schuhplattler, Burschen und Mädchen. Aber war da nicht ein prallgrüner, sanftgeschwungener Hügel, eingerahmt von hundertjährigen Buchen, darüber der blauweiße Himmel – Jennerwein schloss die Augen und schüttelte sich.
    »Geht’s Ihnen gut, Hubertus?«
    »Ja, Maria.«
    Dann kam das Unvermeidliche. Die Stimmungskanone – es war derselbe, der auch das Neujahrsspringen moderiert hatte – trat wieder an Mikrophon.
    »Was ist denn mit unserem Kriminaler-Stammtisch da unten? Ja meint ihr, ihr seid zur schieren Gaudi da? Auf geht’s zum nächsten Biertisch-Lupfen! Und wehe, die Herren und Damen Beamten drücken sich!«
    Ihnen blieb keine andere Wahl. Die Bedienung, die das Autogramm
Jennerweins trug, stellte zwinkernd eine bis zum Rand mit Flüssigkeit gefüllte Mass auf den Tisch.
    »Und, wer macht’s?«, fragte Stengele.
    »Sie selbst, Ludwig?«
    »Ich bin kein Biertrinker. Vor allem kein In-einem-Schluck-Austrinker. Ich nuckle schon seit zwei Stunden an meiner Mass herum.«
    Niemand traute sich zu, auf den Tisch zu steigen und einen Liter Gerstensaft in zwölf Sekunden auszutrinken. Da meldete sich ein kleines, schweigsames, spilleriges Männchen.
    »Ich mach’s.«
    Das Pinselchen, der Stillste aller Spurensucher, stieg auf den Tisch. Und es gelang. Unter dem Gejohle einer Tausendschaft von Einheimischen und Kurgästen, unter der lautstarken Begleitung der Blaskapelle –
♫ Ja im Wald, da sind die Räu-häuber
– schluckte das Pinselchen, was das Zeug hielt. Nach acht Sekunden machte der kleine Spurensucher die Nagelprobe: leer. Frenetischer Applaus.
    »Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Hölleisen.
    »Ich komme aus Niederbayern«, sagte das Pinselchen. »Da wächst man mit so etwas auf.« Sonst hörte man den ganzen Abend nichts mehr von ihm.
     
    Der schon wochenlang auf allen Plakaten angekündigte Höhepunkt des heutigen Heimatabends war das Steinheben. Nachdem Jennerweins Team seine Bewährungsprobe schon beim Biertisch-Lupfen hinter sich gebracht hatte, drohte keine Gefahr, dass sie bei dieser Kraftsportart auch noch mitmachen mussten. Beim Publikumsheben gab es regelmäßig Leistenbrüche und Kreuzbandrisse, die Sanitäter saßen an einem eigenen Tisch.
    »Zuerst die Regeln!«, rief die Stimmungskanone.
    Es gab eigentlich nur eine Regel. Man musste einen schweren
Stein so hoch wie möglich heben. Das Gewicht der Steine war nicht einheitlich, jedes Bierzelt verwendete seinen eigenen Block. Heute war es ein rauer Quader, ein urtümlicher Monolith, ein 500-Pfund-Prügel, der aus einem blauweiß bemalten Schacht herausgezogen werden musste. In der Körpergewichtsklasse über hundertzehn Kilo hatte es der Hundertrieder Benedikt aus Eschenlohe schon geschafft, das Monstrum auf 78 Zentimeter hochzuziehen. Der Poschinger Franz aus Murnau setzte noch zwei Zentimeter drauf. Der Weixlbaumer Martin aus Krün erhöhte auf 82 Zentimeter. Und nun erhob sich ein erwartungsvolles Raunen und
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