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Hochgefickt

Titel: Hochgefickt
Autoren: Nathalie Bergdoll
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geführt werden, hätten wir wohl sogar das Thermometer einfach stecken lassen können), und die darüber hinaus auch noch medizinische Informationen leichtfertig kundgetan hatten (»im Koma«).
    Auch die Probezeit für den neuen Fahrer und Hilfspfleger von Rezas Klinik war plötzlich (einen Tag nach Renates Medienschelte) und mit riesigem Tamtam vorbei. Schließlich musste Reza ein mahnendes Exempel statuieren, damit sich so eine impertinente Indiskretion in seinem Betrieb niemals wiederholen würde. Schade für den armen kleinen Pfleger, dass auch die restlichen Fotos, die er natürlich noch einmal rundum anbot, niemand mehr kaufen, geschweige denn drucken wollte: »Das will doch niemand mehr sehen, bist du irre? Bleib mir bloß weg mit den Fotos von diesem sabbernden Wrack …!«
    Offiziell wurde ich am Tag nach Renates Ausbruch in eine Spezialklinik für Komapatienten verlegt – das war das einzige, was Sabine und Ralf an Infos herausgaben. Keine drei Tage später verkündete Tom Kosly, dass von jeder verkauften Lina-Legrand-CD (und das waren viele) eine Mark an die Koma-Forschung ging, was mich sehr grinsen ließ – guter Zweck zieht auch immer, schade, dass ich da nicht selber drauf gekommen bin, aber auf Tom Kosly ist in Sachen Geschäftssinn und Pragmatismus auch immer schon Verlass gewesen.
    Der Kosmetikkonzern reagierte ebenfalls schnell, nach einer angemessenen Frist von circa zwei Wochen koppelte man den in Konsumentenbefragungen als äußerst beliebt bewerteten Duft »Phönix« von der Marke Lina Legrand ab – damit hatte ich gerechnet. Dass Günther und Renate es als mein gesetzlicher Vormund jedoch tatsächlich schafften, denen gemeinsam mit Sabine noch mal zusätzlich Geld für diese Vertragsauflösung aus den Rippen zu leiern, überraschte mich doch sehr.
    Aber all diese Nachbereitungen, so erfreulich sie auch sein mochten, interessierten mich zu diesem Zeitpunkt nur recht marginal: Ich war stattdessen vollauf damit beschäftigt, die letzten vier Wochen meiner Schwangerschaft zu genießen, brav meine Atemübungen zu machen und so fleißig Niederländisch zu pauken, dass ich den Anweisungen der Hebamme auch Folge leisten konnte, als es dann endlich soweit war. Unsere Tochter Julia kam zwar ein paar Tage nach dem errechneten Termin, dafür aber überaus gesund und munter auf diese Welt – wie in Holland absolut üblich als Hausgeburt in unserem frisch bezogenen neuen Zuhause an der Prinsengracht.
    Dieses leider latent überteuerte, aber wunderschöne und leerstehende Haus hatte ich im Februar – nach einer verschwiegenen Blitzhochzeit in Amsterdam, schließlich brauchte ich dringend einen neuen Namen – bereits als Jacqueline Jericho gekauft. Es keine vier Monate später schon so wunderbar mit Leben zu füllen, machte mich glücklicher, als ich es je für möglich gehalten hatte.
    Wir gewöhnten uns nach all den turbulenten Monaten nun ganz in Ruhe allmählich an unser schönes neues Leben zu dritt, und auch Renate und Günther tasteten sich an ihr neues Leben als Oma und Opa heran. Sie gingen voll in dem Großelternfilm auf, hatten aber gottlob trotzdem auch noch genug Eigenleben abseits des großfamiliären Idylls, um selbiges nicht überzustrapazieren. Ich war ernsthaft überrascht, wie leicht es ihnen fiel, der Eifel den Rücken zu kehren – immerhin hatten sie wirklich lange dort gelebt, und wir hatten viele schöne Jahre dort gehabt. Aber wahrscheinlich fiel ihnen das so leicht, weil sie Ende der 90er wieder ihren inneren Hippie ausleben konnten, dieses Mal jedoch mit allen Annehmlichkeiten eines solventen Frührentnertums, ohne die Brücken komplett abbrechen zu müssen.
    Denn auch wenn sie froh waren, erst mal aus der Eifel wegzukommen, hielten sie sich doch ein kleines Hintertürchen offen: Sie verkauften das Haus nicht, sondern vermachten Renates Salon Ylenia, die darüber hinaus mietfrei in unserem Eifeler Häuschen wohnen durfte, was meine Mutter als schöne Tradition empfand, die bestimmt auch Frau Stahlke gefallen hätte. Und die fleißige Ylenia machte das Beste daraus: Sie nutzte diese Basis nicht nur, um sich ein bisschen Wohlstand zu erarbeiten, sondern auch, um sich im Rahmen ihrer Kooperation mit Rezas Klinik einen erfolgreichen Fußballer zu angeln, der sie im Jahr 2008 zu seiner Ehefrau machte und sie mit nach Italien nahm. Jetzt wohnt Ylenias kleine Schwester in der Eifel und passt auf das Haus und den Laden auf – der Schwerpunkt liegt mittlerweile aber eher auf
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