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Hochgefickt

Titel: Hochgefickt
Autoren: Nathalie Bergdoll
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nicht madig machen, das muss ihr doch vorkommen wie das Paradies! Herumreisen, zwischen den ganzen Rockstars Zigaretten verteilen und dafür auch noch Geld kriegen, das ist doch fantastisch! Komm, Günther, weißt du nicht mehr, wie viel Spaß wir damals auf den ganzen Festivals hatten?«
    »Natürlich weiß ich das noch! Ich weiß sogar noch ganz genau, wie das alles war – deswegen mach ich mir ja Sorgen …! Außerdem wollten wir doch im August alle drei zusammen in Urlaub …«
    »Weißt du, wann du dir wirklich Sorgen machen müsstest?«, fiel meine Mutter ihm ins Wort. »Wenn unsere Tochter so bescheuert wäre, wegen einem Wanderurlaub in Österreich ein solches Angebot auszuschlagen!«
    Ich trat mit der Karte in der Hand an den Tisch und reichte sie meinem Vater.
    »Ich würde die Tour wirklich gerne mitmachen … und wegen des Urlaubs: Weihnachten gehen wir doch sowieso zusammen Skilaufen! Außerdem könnt ihr sogar mit der Harley nach Österreich fahren, wenn ich nicht dabei bin. Dann haben wir doch alle echte Rockerferien … hm?«
    Meine Mutter zwinkerte mich nickend an, und mein Vater seufzte: »Also gut, Lienchen, dann sag da zu, wenn du das unbedingt willst. Besteh aber darauf, dass die dir vorher einen Vertrag zuschicken, da guck ich dann nämlich noch mal drüber.« Dann setzte er seine Stimme locker eine ganze Oktave runter und wandte sich grinsend an meine Mutter: »Dann machen wir eben zu zweit Urlaub … hat mein Harley-Häschen eigentlich noch irgendwo die Lederhose mit den Fransen an der Seite dran?«
    Ich habe keine Ahnung, wie mein Vater das hinbekam, aber als der Job tatsächlich losging, war ich die einzige Zigaretten-Hostess, die für die gesamte Tour Einzelzimmer und eine exklusive »Backstage-Verteil-Erlaubnis« vertraglich zugesichert bekam.

3
Auf Tour
    (Sommer 1993)

    Die ersten zwei Wochen auf Tour waren für mich als 19-jähriges Landei ein totaler Kulturschock. Nach einer Teenagerzeit in der Eifel war ich zwar einiges an alkoholischen Exzessen gewöhnt, aber was ich nun im Rahmen dieses Rock’n’Roll-Wanderzirkus erlebte, erweiterte meinen Horizont sehr schnell sehr weit. Alles war noch wilder, als ich mir das nach langjährigem Bravo- und MTV-Konsum vorgestellt hatte – und ich war mittendrin! Mein Ziel war aber weder, mich wegzuknallen mit Drogen wie die ganzen Roadies, noch mich wegknallen zu lassen wie die ganzen Groupies – und somit tat ich gut daran, mir erst einmal in Ruhe und mit klarem Kopf einen Überblick zu verschaffen. Schließlich wollte ich nicht auf der Strecke versumpfen, sondern reich und berühmt werden.
    »Wer mitspielen will, muss die Regeln kennen!«, hatte Günther mir immer eingeimpft, und solange ich die Regeln dieses neuen Spiels nicht kannte und noch kein Gefühl für die Strukturen dieses bizarren Mikrokosmos entwickelt hatte, sog ich wie ein Schwamm alles auf, was um mich herum geschah. Das war in jeder Hinsicht eine Menge, schließlich reisten in dem von der Agentur zusammengestellten Tross von ungefähr fünfzig Personen nicht nur acht Hostessen, drei Agenturheinis und um die zwanzig Techniker von Hotel zu Hotel, sondern auch drei Bands, von denen eine sogar mit einer deutschsprachigen Nummer in den Top 20 war. Dementsprechend hatten die auch noch ihre ganze Entourage im Schlepptau: ihren Manager, ihren Produzenten, Typen von der Plattenfirma, ab und zu immer mal wieder die Presse und sogar Fans, die ihnen hinterherreisten. In diesem ganzen irren Spektakel, fernab des normalen Lebens, galt es überhaupt erst mal zu kapieren, wer wofür zuständig war und wie ich dieses Tour-, Musik- und Groupie-Geschäft für meine Ziele am besten nutzen könnte. Aufmerksames Akklimatisieren war also angesagt, wenn ich mich geschickt in dieses Spiel einbringen wollte, und dafür musste ich als erstes meinen Marktwert in diesem neuen Rahmen realistisch einschätzen können.
    Dabei half mir Doreen, eine von den anderen Kippen-Hostessen. Sie kam aus den fünf neuen Ländern, war hübsch, dünn und dunkelhaarig, hatte mit ihren 24 Jahren schon zwei Touren dieser Art mitgemacht, und auch sonst wusste sie nach eigenem Bekunden, »wie es läuft«.
    Insgeheim bezweifelte ich sehr, dass jemand, der auf seiner dritten Tour immer noch mit Roadies rummachte, wirklich wusste, »wie es läuft«.
    Weil aber ausgerechnet Doreen diejenige war, die auch von dem Einzelzimmer-Passus in meinem Vertrag profitierte (weil sie das von der Agentur ursprünglich uns beiden zugeteilte
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