Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
aus der Vor-Pepper-Ära, ehe sie abdrifteten. Gute Stücke.«
    Das zweispurig aufgenommene Gitarren-Intro von »And Your Bird Can Sing« erklang, während Jack dem gewundenen Kurs des BQE am Brooklyn-Ufer entlang folgte, und zwar immer ein oder zwei Etagen über oder unter dem Straßenniveau. Eine holprige Fahrt über Asphalt mit Akne im letzten Stadium. Während sie unter dem Brooklyn-Heights-Überbau weiterfuhren, kam ein prachtvolles Panorama von Manhattan in Sicht, bei strahlendster Festbeleuchtung.
    »Ich komm mir vor wie in Mondsüchtig«, bekannte Karyn.
    »Nur dass in Mondsüchtig die World-Trade-Türme noch standen«, fügte Claude hinzu.
    Im Wagen trat Schweigen ein, während sie unter den Zufahrtsrampen für die Brooklyn und die Manhattan Bridge herrollten.
    Jack hatte die Trade Towers noch nie gemocht, und er hätte nie angenommen, dass er diese seelenlosen, silbern verkleideten Twix-Riegel jemals vermissen würde. Doch so war es, und in ihm kochte immer noch die Wut hoch, wenn er das Loch in seinem Himmel bemerkte, das sie einmal ausgefüllt hatten. Ebenso wie die meisten Außenseiter in dieser Stadt hatten die Terroristen die Zwillingstürme als eine Art Krönung der Skyline betrachtet. Daher hatten sie sie aufs Korn genommen. Aber Jack fragte sich, wie die Stadt wohl reagiert hätte, wenn das Empire State oder das Chrysler Building das Ziel dieser Verrückten gewesen wäre. In ihnen steckte viel mehr Herz und Seele und Geschichte dieser Stadt. King Kong – der echte King Kong – war aufs Empire State Building geklettert.
    Brooklyn ging an der Kosciusko Bridge in Queens über, und die Schnellstraße zog an Long Island City und dem genauso unspektakulären Jackson Heights vorbei.
    Astoria sitzt auf der nordwestlichen Schulter von Queens und erstreckt sich entlang des East River. Jack war häufiger dort, aber nur selten mit dem Wagen. Einer seiner Briefkästen befand sich in der Steinway Street. Er zog einen kleinen Schlenker in Erwägung, um bei dieser Gelegenheit seine Post abzuholen, verwarf die Idee jedoch wieder. Seine Fahrgäste könnten irgendwelche neugierigen Fragen stellen. Lieber fuhr er in der nächsten Woche mit der U-Bahn hin.
    Indem er Junies manchmal konfuser Wegbeschreibung folgte – gewöhnlich kam sie mit dem Taxi hierher und war sich ihrer Orientierungspunkte nicht immer ganz sicher –, verließ er den BQE, gelangte auf den Astoria Boulevard und fuhr nach Norden, vorbei an einer scheinbar lückenlosen Kette von Reihenhäusern.
    »Wenn dieser Ifasen so gut ist«, sagte Jack, »warum verkriecht er sich dann hier in der tiefsten Provinz?«
    Junie widersprach. »Queens ist nicht tiefste Provinz!«
    »Für mich schon. Zu offen. Zu viel Himmel. Das macht mich nervös. Als bekäme ich gleich einen Panikanfall oder so was.« Er riss den Wagen zur Seite. »Hey!«
    »Was ist los?«, kreischte Junie.
    »Ich hab gerade eine Herde Büffel gesehen. Ich dachte, sie würden gleich in einer Stampede den Wagen auf die Hörner nehmen. Ich sagte Ihnen doch, es ist die tiefste Provinz.«
    Als auf dem Rücksitz Gelächter aufkam, drückte Gia wieder viel sagend seinen Oberschenkel.
    Sie fuhren an einer imposanten griechisch-orthodoxen Kirche vorbei, doch die Menschen auf den Bürgersteigen waren bekleidet mit weiten Pantalons und Käppchen und Saris. Astoria war früher einmal ausschließlich griechisch gewesen. Nun waren dort ansehnliche Gemeinschaften entstanden, deren Mitglieder aus Indien, Korea und Bangladesh stammten. Es hatte sich zu einer Polyglotopolis entwickelt.
    Sie erreichten den Geschäftsbezirk entlang des Ditmars Boulevard, wo sie an den üblichen Boutiquen, Maniküre- und Pediküresalons, Reisebüros, Tierhandlungen und Apotheken vorbeirollten, sowie an den unausweichlichen Kentucky-Fried-Chicken-, Dunkin-Donut- und McDonald’s-Restaurants. Dazwischen hatten sich Gyros-, Souvlaki- und Kebabimbisse angesiedelt. Sie sahen ein Restaurant, das Gerichte aus Pakistan und Bangladesh anbot. Seine Fassade, wie die einer beträchtlichen Anzahl anderer Restaurants, bestand aus Schildern nicht nur in fremder Sprache, sondern auch in fremder Schrift. Der griechische Einfluss war immer noch stark – es gab griechische Cafes, griechische Bäckereien, sogar die Pizzerias zeigten die Akropolis oder eine der griechischen Gottheiten auf ihren Vordächern aus Markisenstoff.
    »Dort!«, rief Junie, beugte sich vor und deutete durch die Windschutzscheibe auf einen Lebensmittelladen mit gelbem Baldachin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher