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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual
Autoren: F. Paul Wilson
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bäuchlings in der Diele.
    »Sie hatten Recht!«, rief Lyle.
    Jack versuchte, ihrem Wurfgeschoss zu folgen, traf jedoch auf den gleichen Widerstand wie vorher schon. Er stand da und stemmte sich erfolglos gegen die Barriere aus undurchdringlicher Luft, die ihm den Weg versperrte.
    Bitte, Tara, dachte er. Verschaukle uns nicht. Wir haben unseren Teil der Abmachung eingehalten. Du hast jetzt den Kerl, der dich ermordet hat, in deiner Gewalt. Jetzt bist du an der Reihe.
    Jack konnte verfolgen, wie Bellitto auf der anderen Seite der Schranke mühsam auf die Füße kam. Das Klebeband um seine Handgelenke hatte sich gelöst. Er kämpfte hektisch dagegen, zerrte die Arme hinter seinem Rücken hin und her, bis seine Hände vollends freikamen. Dann entfernte er das Klebeband aus seinem Gesicht und machte einen wilden Satz in Richtung Tür und Jack. Dieser ballte die Hand zur Faust und hielt sich bereit, den Kerl gleich wieder zurückzuschicken, doch diese Mühe blieb ihm erspart. Bellitto prallte von der anderen Seite gegen die Barriere und taumelte zurück.
    In diesem Augenblick erschien das kleine Mädchen hinter ihm. Jack hatte ihr Bild nur einmal auf der Website im Internet gesehen, doch er erkannte sie auf Anhieb.
    Tara Portman.
    Jack sah, wie sich ihr Mund bewegte, er hörte jedoch nichts. Bellitto wirbelte zu ihr herum, dann wich er zurück. Jack schloss aus Bellittos entsetzter Miene, dass er sie ebenfalls erkannte. Er warf sich gegen die Tür und wurde wieder einige Zentimeter vor Jack aufgehalten. Sein Mund arbeitete, schrie zweifellos, während seine Finger versuchten, die undurchdringliche Luft vor ihm zu zerreißen. Jack hörte nichts und empfand noch weniger.
    »Manchmal«, flüsterte er, »passiert es, dass man zurückbekommt, was man ausgeteilt hat. Es passiert nur selten ganz von selbst, aber manchmal können wir einiges dazu tun. Deshalb bin ich hier.«
    Tara, die hinter ihm stand, lächelte geradezu selig, dann verschwand sie.
    Als Nächstes sah Jack Bellitto nach hinten kippen. Er ruderte mit den Armen, als könnte er den Sturz noch aufhalten, doch er landete auf dem Rücken und wurde von einer Macht weggeschleift, die für Jack unsichtbar blieb. Er rutschte um sich schlagend und tretend die Diele hinunter und verschwand außer Sicht.
    Jack und Lyle lehnten sich an die Barriere und warteten.
    »Komm schon, Tara«, flüsterte Jack. »Wir haben unseren Teil geleistet. Lass uns nicht im Stich. Wir …«
    Dann bemerkte Jack eine Bewegung in dem Gang. Etwas kam auf sie zu. Bellitto? Wie hatte er sich befreien können?
    Nein. Jemand anderer. Jack vergaß alle Schmerzen und Verzweiflung, als er Gia erkannte – allerdings in einem Zustand, in dem er sie noch nie gesehen hatte. Haare, Kleider und Hände waren völlig verdreckt, das Gesicht von Tränen und Erde verschmiert. In ihren Augen lag ein fast irrer Glanz, während sie auf ihn zustolperte, die Arme ausbreitete und sofort zu rennen begann, als sie ihn erblickte.
    Tu’s nicht, wollte er ihr zurufen. Sie könnte mit voller Wucht gegen die Barriere prallen und sich unter Umständen verletzen.
    Aber sie setzte über die Schwelle und flog in seine Arme, und dann hatte er sie, hielt sie fest, schlang die Arme um sie, wirbelte sie herum, ihre abgehackten Schluchzer spielten eine wahre Himmelsmusik in seinen Ohren, und er selbst schien unfähig, auch nur einen Laut hervorzubringen, so dick war der Kloß in seinem Hals.
    Sie klammerten sich aneinander, Gia mit angewinkelten Beinen, so dass ihre Füße den Boden nicht mehr berührten. So wären sie wohl noch viel länger stehen geblieben, wenn Lyle sie nicht mit einer Frage aus ihrer Verzückung gerissen hätte.
    »Wo ist Charlie? Wo ist mein Bruder?«
    O nein, dachte Jack, ließ den Blick umherschweifen und sah nur sie drei. Sag bloß nicht … Bitte nicht Charlie …
    Gia schien in sich zusammenzufallen, dann streckte sie eine Hand nach Lyle aus. Unterbrochen von heftigem Schluchzen berichtete sie, wie sie und Charlie in den Erdschacht gestürzt waren, wie dieser plötzlich eingestürzt war und wie Charlie sich geopfert hatte, um sie zu retten.
    »Charlie?«, flüsterte Lyle kraftlos, das Gesicht ein einziger Schmerz. »Charlie ist tot?«
    Seine Gesichtszüge verhärteten sich, wurden kantig, während Tränen an seinen Wangen herabrannen. Er stolperte zur Tür, aber auch jetzt wurde ihm ein Betreten des Hauses verwehrt. Er lehnte sich gegen das unsichtbare Hindernis und trommelte mit den Fäusten gegen diese
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