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Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Autoren: Silvia Roth
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klitzekleinen Narbe schräg über ihrer rechten Braue. Wenn er die Augen schloss, sah er sie eine Straße überqueren. An ihrer Hand das kleine Mädchen, das ihr ganzes Glück war, auch wenn sie es zu ihrem größten Bedauern jedes zweite Wochenende mit ihrem Ex, einem Börsenmakler, teilen musste.
    Damian nickte und machte die Augen wieder auf. Die Luft, die durch das geöffnete Seitenfenster ins Innere des Wagens schwappte, war schwer und zähflüssig wie Suppe. Aber das gefiel ihm. Überhaupt hatte er eigentlich nur im Sommer das
Gefühl zu leben. Und natürlich war ihm auch klar, dass ihm die augenblickliche Wetterlage sozusagen in die Hände spielte. Die Häuser schienen nachts buchstäblich aus allen Poren die Glut der vergangenen Wochen zu atmen. Und die Leute ließen ihre Fenster offen, oft sogar die Terrassentür. Trotz der Schlagzeilen. Trotz der Angst, die die Medien schürten.
    Seine Finger spielten mit dem Stück Papier auf seinem Schoß, der Adresse. Ein sperriger, seelenloser Kasten auf einem Monster von Grundstück, nicht weit von hier. Lediglich ein paar Minuten den Berg runter.
    Er sah auf die Uhr.
    Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding …
    Vor ihm lag die Anliegerstraße ruhig und still. In einiger Entfernung war ein schwarzer VW Tuareg abgestellt. Die Einfahrt dahinter war leer. Damian überlegte, ob das ein Indiz dafür war, dass der Besitzer noch einmal fortfahren würde. Oder ob der Wagen nur zufällig dort stand, wo er stand. Ärgerlich wischte er eine verirrte Mücke weg. Warum blieben die Leute nicht einfach da, wo sie hingehörten? Vier Nächte hatte er jetzt schon in dieser Straße verbracht, und immer hatte der Tuareg in der Einfahrt gestanden.
    Nur heute nicht.
    Etwas, das ihm nicht gefiel.
    Aber er hatte auch keine Zeit, weiter darüber nachzudenken.
    Seine Augen wanderten zurück zum Nachbargrundstück jener Frau, die er im Visier hatte. Dort stand der Audi des Hausherrn, das neueste Modell, brav auf seinem Platz vor der Garage. In der Küche, die genau wie die Küche seiner Zielperson nach vorn raus ging, brannte Licht hinter herabgelassenen Rollläden. Und hier und da glaubte Damian gar, einen Schatten zu erkennen, der geschäftig auf und ab ging. Die Frau, Anna, war eine kompakte Blondine, äußerlich absolut reizlos, aber weder dumm noch unerfahren. Damian vermutete, dass sie es war, die das Geld mit in die Ehe gebracht
hatte. Der Mann hingegen war eine klassische Mogelpackung, jemand, der selbst wenig auf die Reihe brachte, aber daran gewöhnt war, bei anderen gut anzukommen. Frauen fanden ihn vermutlich durch die Bank attraktiv, seinen Geschlechtsgenossen suggerierte er völlig zu Unrecht Erfolg und Draufgängertum. Damian war sicher, dass er bei der geringsten Krise zusammenbrechen würde. Vor ihr  dagegen musste man unbedingt auf der Hut sein. Sie gehörte zu der Sorte Frauen, die man im Alltag kaum wahrnahm, die jedoch ohne Zögern zum Küchenmesser griffen, wenn es hart auf hart kam.
    Er schenkte dem Licht hinter den Rollläden ein anerkennendes Lächeln.
    Potenziale richtig einzuschätzen war eine Fähigkeit, die für das, was er tat, unabdingbar war. Es erleichterte vieles, wenn man im Vorfeld wusste, von wo einem Gefahr drohte, wer sich wehren würde und wer vor lauter Angst nicht einmal mehr wusste, wie man ein Handy bediente.
    Er sah wieder auf den Zettel in seiner Hand hinunter und fragte sich, warum er trotz allem ein gutes Gefühl hatte. Das Wort »Bauchgefühl« war ihm zutiefst suspekt, auch wenn er zugeben musste, dass er noch nie wirklich darüber nachgedacht hatte. Nicht vor dem gestrigen Tag. Dafür dachte er seither an nichts anderes mehr. Nur daran, ob er sich selbst trauen konnte. Oder eben nicht. Und wieder der Gedanke: Ich habe ein gutes Gefühl. Aber genau das war es, was ihn so irritierte. Irgendwie war Skepsis etwas, das ihm näherlag. Wenn er ein schlechtes Gefühl bei einer Sache hatte, wäre er nie auf die Idee gekommen, seine Wahrnehmung in Frage zu stellen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass er sich auch in diesen Dingen durchaus auf sein Gespür verlassen konnte. Wenn etwas faul roch, dann war es auch faul. Punkt. Dieses Gespür, sein Instinkt, die warnende Stimme hinter seiner Stirn, die ihm sagte, lass die Finger davon, hatte ihm schon so manches Mal die Haut gerettet.
    Aber dieses Mal hatte er ein gutes Gefühl.
    Ich glaube nicht, dass ich im Begriff bin, in eine Falle zu gehen, dachte er, während sein Verstand weiter nach dem
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