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Historical Saison Band 20

Historical Saison Band 20

Titel: Historical Saison Band 20
Autoren: Marguerite Kaye , Joanna Fulford
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Dann zog er sich zurück. Gerade wollte er die Salontür öffnen, da ließ ihn ein Knarren draußen im Flur innehalten. Vielleicht waren es ja nur die alten Balken des Hauses, dennoch beschloss er, Kinsail Manor auf dem schnellsten Weg zu verlassen.
    Deshalb hastete er zum Fenster, öffnete einen der bleiverglasten Flügel, und dann sprang der ehemalige Major Elliot Marchmont mit einer Wendigkeit, die die Männer, die unter ihm gedient hatten, beeindruckt, wenn auch nicht überrascht hätte, auf die Brüstung. Er griff nach dem bleiernen Regenrohr am Rande der Mauer, betete stumm zu dem Gott der Einbrecher – welcher auch immer das sein mochte – dass das Material seinem kräftigen Körper standhalten möge, und begann den unsicheren Abstieg.
    Die Stallglocke schlug die halbe Stunde, als Lady Deborah Napier, Witwe des Earl of Kinsail, vom Park kommend durch eine Seitenpforte den italienischen Garten betrat. Während sie ihre übliche nächtliche Runde um den Park des Hauses machte, zog sie fröstelnd ihren Mantel enger um sich. Geräumig, aus dunkelrotbrauner Wolle mit einem Cape wie bei den Fahrmänteln der Herren, hielt er sie nicht nur warm, sondern verbarg auch die Tatsache, dass sie darunter nichts als ihr Nachtgewand trug. Gewiss sah sie merkwürdig aus mit ihren auf Papilloten gewickelten Haaren, während ihre Füße in dicken, handgestrickten Socken und robusten Stiefeln steckten. Der, ach, so hochwohlgeborene Jacob, Lord Kinsail, wäre empört, wenn er herausfände, dass die Witwe seines verstorbenen Cousins in diesem Aufzug das Anwesen durchstreifte – und zwar in beinahe jeder ihrer schlaflosen Nächte während ihres pflichtgemäßen jährlichen Besuchs hier.
    Verstohlen lächelte Deborah in sich hinein, als sie über den Stallhof eilte. Letztendlich war es eine recht magere Form des Widerstandes, amüsierte sie aber trotzdem. Sie hatten weiß Gott nichts für einander übrig, sie und der Earl, der allein ihr alles anlastete: den vorzeitigen Tod ihres Gemahls, die Schulden, die der hinterließ, den elenden Zustand seiner Ländereien und ihr beklagenswertes Versagen, einen männlichen Erben zu produzieren. Die letzte Tatsache nahm er ihr besonders übel.
    Vermutlich sollte ich dankbar sein, dass er überhaupt noch von mir Notiz nimmt, überlegte sie, denn eine Erbin, deren Börse sich als ebenso leer erwies wie ihr Leib, ist wohl eine armselige Kreatur – selbst wenn die leere Kinderstube immerhin Jacob unverhofft zu einem Titel verholfen hatte. Aber leider kann ich mich nicht dazu durchringen, für die Einladung in dieses Haus dankbar zu sein. Jedes Jahr aufs Neue staune ich, dass der elende Mensch sich einbildet, er gewährte mir eine Gunst damit, mich auf zwei qualvolle Wochen in dieses Haus zu bitten, in dem ich sieben schreckliche Jahre verbringen musste.
    Zum Mond aufblickend fragte sie: „Ist es denn ein Wunder, dass ich hier keine Ruhe finde?“
    Der Mond verweigerte ihr die Antwort, und sie merkte, dass sie wieder einmal mit sich selbst gesprochen hatte. Eine alte Angewohnheit, die sie sich während er einsamen Jahre nach dem Tod ihrer Eltern angewöhnt hatte, als sie sich im Haushalt ihres betagten Onkels ganz auf sich selbst gestellt sah. Damals hatte sie in ihrem Schulzimmer mit erdachten Freunden gesprochen, für die sie Seite um Seite ihrer Hefte mit Geschichten füllte, anstatt ihre Rechenaufgaben zu erledigen.
    Diese Abenteuer hatte sie dann ihren unsichtbaren Kameraden vorgelesen, nicht ohne hier und da zu unterbrechen, um den Verlauf zu diskutieren. Wie lange ihre ältliche Gouvernante sie an jenem Tag dabei von der Tür her belauscht hatte, wusste Deborah nicht, doch für die würdige Dame war es lange genug gewesen. Sie hatte verkündet, dass sie sich außerstande sehe, ein so frühreifes Kind zu betreuen und ihren Posten zu Deborahs Freude aufgegeben, woraufhin ihr Onkel beschlossen hatte, sie auf ein Internat zu schicken.
    „Vermutlich ahnten die beiden nicht“, murmelte Deborah vor sich hin, „dass sie mir damit die glücklichsten fünf Jahre meines Lebens bescherten.“
    In dem vornehmen Institut für junge Damen machten ihre Geschichten Deborah beliebt, nahmen ihr bald ihre anfängliche Scheu hinweg und verhalfen ihr zu echten Freunden.
    Während sie langsam zur jungen Frau heranwuchs, wandelten sich ihre Erzählungen. Von plündernden Piraten über Geistergeschichten kam sie zu edlen, kühnen Rittern, die schönen Burgfräulein nachstellten. Immer schon war die Liebe in
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