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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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versuche, zwischen den Wehen zu ruhen, noch geht es, denn sie werden in immer kürzeren Abständen über dich kommen und an Stärke zunehmen. Nutze die Zeit jetzt, damit du bei Kräften bleibst.« Mit diesen Worten stand sie auf und ging hinaus.
    Vor der Tür wartete der Mann. »Ist es bald auf der Welt?«
    Hiske schüttelte den Kopf. »Nein, aber bleibt ruhig. Alles ist gut. Ich bin gleich zurück.«
    Als Hiske wieder auf die Straße trat, schlug ihr schon jetzt die aufkommende Wärme entgegen. Es würde wieder ein stickiger, sehr warmer Tag werden. Der Juni hatte es in diesem Sommer in sich. Es war heiß, und es gab viel zu viele Mücken, die in riesigen Schwärmen über dem Wasser verharrten und dann vor allem am Abend über die schlafenden Bewohner herfielen. Hiske konnte ihre Stiche an Armen, Beinen und im Gesicht kaum noch zählen. Der Weg zum neuen Siel war lediglich ein Trampelpfad, holprig und nur schwer zu begehen, vermutlich würde das die nächste Straße sein, die sie bauen würden. Einfacher wäre es, am Deich zu laufen, dort entlang wurden auch alle Waren transportiert. Doch es war ein Umweg.
    Als Hiske den neuen Hafen erreichte, herrschte schon reges Treiben. Die Waren wurden abgeladen, das Deck geschrubbt. Viele Menschen hatten sich versammelt, ein großer Teil war ungewaschen und sofort als Reisende kenntlich. Der Bader Dudernixen rannte hin und her und versuchte, den Ankommenden sein neues Badehaus schmackhaft zu machen. Es stieß Hiske ab, wie er sich den Menschen anbiederte. Dennoch ließen sich ein paar von ihm in Schlepp nehmen.
    Magda Dudernixen schlich hinter ihrem Mann her, sie war seit dem Tod ihres Kindes nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie konnte es nicht verwinden, dass ihr das Marschenfieber binnen kürzester Zeit das Kind genommen hatte. Für die Frau hegte die Hebamme mittlerweile großes Mitleid. Die Geburt des Kindes war schwer gewesen, fast hätte Hiske es wagen müssen, ihr den Bauch aufzuschneiden. Doch kaum war das Kind ein paar Tage auf der Welt, hatten die Dämpfe der Moore es infiziert und gleich in Gottes Arme zurückgegeben. Obwohl Hiske sich nicht sicher war, ob der Bader nicht nachgeholfen hatte. Nur – wer sollte ihn anklagen, wenn die eigene Frau vor ihm kuschte wie ein geprügelter Hund?
    Das Marschenfieber war auch am Hafen in aller Munde. Immer wieder schnappte Hiske das Wort auf, die Menschen waren in großer Sorge. Wenn man nur etwas dagegen tun könnte, dachte sie. Während die gesunden, kräftigen Menschen lediglich von einer großen Hitze befallen wurden, die kam und ging, bis sie schließlich verschwand, raffte sie die Kinder und Alten dahin. Sie hatten nur selten genug Widerstandskräfte, der Krankheit etwas entgegenzusetzen, und waren oft in wenigen Tagen tot.
    Hiske näherte sich dem Schiff, es war eine Kraweel. Der Sielwärter stand an seinem Häuschen und kontrollierte das Geschehen. Hiske blickte sich suchend um, bemüht, einen Gewürzhändler zu entdecken, dem sie das abkaufen konnte, was sie an Kräutern in der Herrlichkeit nicht finden oder selbst anbauen konnte, obwohl ihr Kräutergarten eine Menge hergab. Sie hatte auch schon versucht, ein paar der fremden Kräuter zu ziehen, aber häufig starben die Pflanzen. Der Boden war zu schwer und zu salzhaltig, da gedieh längst nicht alles.
    Leider wurden ihre Hoffnungen heute enttäuscht. Gerade als sie sich abwenden wollte, zuckte sie zusammen. Hiske glaubte an eine Täuschung, aber dann sah sie doch ein zweites Mal hin, und sofort glitt ein Lächeln über ihr Gesicht, ein Lächeln, das seit drei Jahren darauf wartete, endlich den Menschen zu treffen, für den sie es aufgespart hatte.
    Ihre Augen begegneten einander in genau demselben Augenblick. Jan schob sofort alle Umstehenden zur Seite, lief auf die Hebamme zu und verbeugte sich vor ihr. Er hatte sich kaum verändert, lediglich der Ausdruck der Augen erschien hinter dem freudigen Aufglimmen noch trauriger geworden zu sein. »Schön, dich zu sehen, Hiske. Ich bin zurück.«
    Sie schwieg, zog sacht die Augenbrauen hoch und wartete ab, was Jan ihr noch zu sagen hatte. So sehr sie sich freute, so sehr war sie aber auch der Ansicht, er müsse zunächst erklären, warum er eine so lange Zeit verschwunden war und sich mit keiner Zeile gemeldet hatte. Jan zögerte nicht lange. Es war, als sprudelten die Worte aus ihm heraus, weil er sie sich die ganze Zeit im Kopf zurechtgelegt hatte und sie endlich aussprechen durfte. »Ich war all die Jahre in Emden bei
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