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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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würde er sie mit sich reißen. Sie sollte brennen. Das, was er ihr schon in Jever zugedacht hatte, würde er jetzt einlösen. Klaas wusste, wo er das Weib finden würde. Drei Jahre waren verstrichen, aber dann hatte Satan ein Einsehen gehabt und ihm ihren Aufenthaltsort durch einen Verbündeten zugeflüstert.
    »Der Feind ist dir nah, Hebamme. So nah!« Klaas steuerte das Ufer an, er hatte eine Stelle entdeckt, wo er ohne Schwierigkeiten anlegen konnte, denn dank der Toverschen, dem Hexenweib, war er lange nicht mehr so behände, wie er es ohne sie gewesen wäre.
    Klaas vertäute das Boot an einem niedrig gewachsenen Baum und legte sich im Schutz des Schilfes zum Schlafen nieder. Er wollte die für ihn zu helle Sonne zum Ruhen nutzen und nur in der Dunkelheit weiterfahren. In der nächsten Nacht oder am Morgen darauf würde er den neuen Hafen anlaufen, und dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Wer es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen, war des Todes.
    Anneke Hollander hatte eben den letzten Kunden verabschiedet. Der Morgen verdrängte die Nacht. Ihr Leben war falsch, und doch zwang ihr knurrender Magen sie dazu, auf diese Weise ihr Geld zu verdienen. Von nichts konnte auch sie nicht leben. Ihr Einkommen reichte kaum aus. Es war immer schwerer, einen Schap zu bekommen oder auch nur ein Stück Käse oder Brot, selbst das Mehl war teuer geworden.
    Ihr Tun in den Nächten war gegen alles, was der Glaube gebot, gegen jede Verordnung, die Krechting erlassen hatte. Sie musste vorsichtig sein, damit er nichts davon erfuhr. Er hatte es streng untersagt, aber was sollte die Enthaltsamkeit? Auch die Täufer und Mennoniten waren Menschen mit Bedürfnissen, ob es Krechting gefiel oder nicht. Die immer häufiger einlaufenden Schiffe brachten weitere Kunden mit.
    Anneke zuckte mit den Schultern. Sie musste tun, was sie tun musste, eine Wahl hatte sie nicht. Die beiden Frauen, die sie beschäftigte, gaben ihr einen Großteil des Verdienstes ab, dafür bekamen sie eine Kammer, Brot und Dünnbier und hin und wieder das Gekröse eines Hammels. Am Ende jeder Woche gab sie den beiden eine Münze, die sie zu Stillschweigen verpflichtete, denn Krechting würde sie ansonsten der Herrlichkeit verweisen. Während sich einst noch ein Hauch von Güte in seinem Gesicht befunden hatte, vor allem, als er seine Visionen leben wollte, zeigten sich dort nun nur noch Härte und Unnachgiebigkeit. Seine Augen hatten das darin früher lodernde Feuer verloren, nichts war mehr übrig von dem, was alle im Burgkeller, bei ihren heimlichen Versammlungen, gefesselt hatte. Diese fehlende Glut glich Krechting nun durch einen unbedingten Machtwillen und eine unsägliche Konsequenz aus. Einzig im Beisein der Hebamme zeigte er sich von seiner freundlichen Seite, wie auch immer dieses Weib es geschafft hatte, einen solchen Mann für sich zu gewinnen.
    Bei Jan Valkensteyn war ihr das aber nur kurz gelungen, denn er war gegangen. Dennoch verspürte Anneke immer wieder einen Stich, denn dass der Arzt nicht in ihrem Bett gelandet war, hatte sie ganz eindeutig dem Hebammenweib zu verdanken. Hin und wieder beschlich Anneke eine große Wut. Auf sich, aber auch auf Jan Valkensteyn, der einfach sang- und klanglos verschwunden war. Sie hätte ihn damals stärker um den Finger wickeln sollen. Er war eine verlorene Seele, und auch wenn er es sich nicht eingestand, so suchte er doch nach körperlicher Nähe, die sie ihm hätte geben können. Im Gegenzug dazu wäre sie davon befreit gewesen, ihre Beine für andere Männer zu spreizen. Sie war nur froh, dass er sich auch nicht für Hiske entschieden hatte. Denn das wäre für Anneke nur schwer zu ertragen gewesen. Zudem sie einem Mann größere Wonnen bereiten konnte als eine Frau wie die Hebamme, deren Hände zwar Kinder aus den Frauenleibern pflückten, die aber ein männliches Gemächt vermutlich noch nie mit dem Verlangen eines Weibes berührt hatte.
    Anneke verschloss die Tür. Jedes Mal, wenn sie das tat, verspürte sie einen Trotz gegenüber der Obrigkeit. Was bildete sich Krechting als Täufer aus Münster eigentlich ein, hier alles bestimmen zu können? Sie, die Menschen, mussten hier leben und mit erheblich weniger auskommen als er, der ein Daunenkissen und keines aus Stroh unter seinem Haupt wusste. Dazu kam die Ablehnung durch die einheimische Bevölkerung. »Mennisten und Loegenpack« wurden sie beschimpft, wenn sie ihnen begegneten. Als Deichbauer waren die Holländer gut genug, aber sonst sollten sie sich still
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