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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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und meinen drei Kindern verlassen, weil mir die Idee der Neustadt sehr gefällt und wir als Mennoniten dort sicher ein gutes Leben führen können.« Er senkte den Kopf. »Mich hat Hinrich Krechting um Hilfe gebeten. Nach von Ascheburgs Tod benötigt er Unterstützung auf dem Gebiet des Städtebaus. Ich kenne Appingedam und das Siel in Oldersum sehr gut.«
    Jan nickte. »Das waren auch die Pläne von Ascheburgs, die er hinterlassen hat. Wisst Ihr, wie weit der neue Flecken vorangetrieben ist?«
    »Die Pläne des alten Lokators sind nur teilweise zu nutzen, Medicus. Die Bauern haben den Bau des Ortes an der Stelle, wo er zunächst geplant war, vereitelt. Die Neustadt rückt nun näher an das neue Siel und wird dort immer stärker zusammenwachsen. Zunächst nutzt man beim Bau der Häuser den Weg, der zum alten Hafen geht. Aber es soll eine Planstadt werden, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Ich bin gekommen, um die Pläne von Ascheburgs zusammen mit Bruder Krech…«, er verbesserte sich, »Hinrich Krechting zu verändern und umzusetzen.«
    »Krechting ist jetzt endgültig reformiert?«, hakte Jan nach. Mit Bruder oder Schwester sprachen sich nur die Täufer untereinander an.
    Der Kaufmann nickte. »Nichtsdestotrotz hat er für die Mennoniten eine Menge geleistet.«
    »Kennt Ihr auch den Prediger Rothmann, wenn Ihr so weit gereist seid?«, fragte Jan. Seinetwegen war er vor drei Jahren nach Ostfriesland gekommen. Rothmann hatte eine Botschaft für Krechting und die Täufer gehabt, die Jan überbracht hatte.
    »Den Vermahner? Ja, den kenne ich. Er wirkt nicht mehr. Habe gehört, dass er bei einem friesischen Edelmann in einer kleinen Herrlichkeit in der Nähe Groningens Zuflucht gefunden hat und dort verstorben ist.«
    »Wann?«, hakte Jan nach.
    Kremer schürzte die Lippen. »So genau weiß ich das nicht, vielleicht im letzten Jahr. Diese Herrlichkeit hieß Evsum oder so ähnlich.«
    Rothmann lebt also nicht mehr, dachte Jan. Dazu passte auch, was ihm in Emden über Krechting zu Ohren gekommen war. Es hieß, dass dieser jetzt ganz in seinem Amt als Armen- und Kirchenvorstand aufging. Anscheinend waren alle Hoffnungen, die Krechting angetrieben hatten, in der Herrlichkeit ein neues Täuferreich zu errichten, mit dem Ableben Rothmanns zunichtegemacht worden.
    Lübbert Jans Kremer deutete auf einen dunklen Umriss auf der Backbordseite. »Da ist der Turm von Wangerooge. Es ist die letzte Insel vor der Einfahrt in die Jade.«
    Jans Herz klopfte. Seine Freude war ganz eng an das erwartete Wiedersehen mit Hiske gekoppelt. Er hoffte so sehr, dass sie sich nicht gebunden hatte. Und wie er das hoffte!
    Die aufgehende Sonne brannte auf sein Gesicht. Noch in der Nacht hatte sich Klaas Krommenga aus Jever aufgemacht. Schlag für Schlag hatte er seine Ruder ins dunkle Wasser getaucht, als er unter dem Sternenhimmel hindurchgeglitten war. Es war schwierig, das alles mit nur einem Bein zu bewerkstelligen, doch sein Hass hatte ihn die letzten Jahre am Leben erhalten und gab ihm auch jetzt Kraft. Er würde nun das vollenden, was zu seinem Lebensinhalt und zu seinem einzigen Ziel geworden war: Die Hebamme Hiske Aalken musste sterben.
    Wahrscheinlich würde seine Seele dafür im Fegefeuer tanzen und ewig brennen, aber das war ihm egal. Er hatte so viele Menschen mit seinem Schwert, dem Strick oder dem Feuer ins Jenseits befördert, er kannte alle Zwischentöne des Sterbens und Leidens. Im Himmel war auch ohne den Mord an der Hebamme kein Platz mehr für ihn. Klaas Krommenga hatte nichts zu verlieren.
    Er ruderte weiter, freute sich über jedes Stück, das ihn seinem Ziel näherbrachte. Immer wieder musste er innehalten, nach Luft schnappen, denn die wurde ihm oft knapp, vor allem, weil auch in der Dunkelheit noch eine feuchte Wärme über dem Land lag. Je näher er der Jade kam, desto weniger beeinträchtigte ihn dies, nicht einmal die unerträglich vielen Mücken setzten ihm mehr zu. Deren Surren hatte ihn nur zu Beginn gestört, irgendwann war es ihm egal gewesen. Sein Gesicht war von Pusteln übersät, die juckten und ihn immer wieder dazu veranlassten, die Ruder aus der Hand zu legen und sich zu kratzen. Auch daran war dieses Weib schuld. Sie war schuld an allem, was in seinem Leben schiefgelaufen war. Die Begegnung mit Hiske Aalken war der Wendepunkt zu einem Dasein gewesen, das er von dem Augenblick an als ein solches nicht mehr bezeichnen wollte. »Immer der Hölle entgegen«, grummelte er. Bevor er aber im Fegefeuer ankam,
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