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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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nichts, was einen Arzt verlocken könnte, sich hier anzusiedeln.
    Insgesamt war seit dem Bau der Neustadt alles bedrückender geworden. Im Lager an der Burg Gödens war das Leben von allerlei Kurzweil unterbrochen gewesen, weil immer mal wieder ein Gaukler gekommen war, der die Leute von ihrer Tristesse abgelenkt hatte. Nun aber hatten sich eine merkwürdige Strenge und Disziplin über die Menschen gelegt. »Wir müssen uns von den Papisten abheben, dürfen nicht so ausschweifend leben.« Krechtings Anweisungen waren eindeutig. Auch wenn er sich nicht mehr zum Täufertum bekannte, so regulierte er das Leben in der Herrlichkeit doch nach den Gesetzen der Abstinenz und Einfachheit. Er achtete mit einem solchen Nachdruck auf deren Einhaltung, dass es Hiske manchmal die Luft nahm. Sie schob es auf seine große innere Zerrissenheit. Manchmal, wenn sie sich gegenübersaßen, merkte Hiske, wie die Gedanken des Juristen abschweiften, wie sich ein Schleier der Trauer über das bärtige Gesicht legte und ihn mit einer Verletztheit zeichnete, die kein Maler der Welt hätte einfangen können. In diesen Augenblicken wusste sie, für welchen Glauben sein Herz schlug, egal, was er nach außen hin trug, egal, wie sehr er die reformierte Kirche unterstützte. Hinrich Krechting würde in seinem Herzen immer Täufer bleiben.
    Hiske atmete tief ein, glaubte am Horizont ein Segel zu erkennen, aber es war nur der dichte Nebel, der sich immer stärker über die Wasseroberfläche legte und einen Vorhang zwischen der Herrlichkeit und dem Rest der Welt spannte.
    Jan Valkensteyn sah in den Sternenhimmel. Es würde nicht mehr lange dauern, dann war er wieder in der Herrlichkeit Gödens. Dort, wo er vor über drei Jahren schon einmal angelandet war, dort, wo er für einen kurzen Augenblick geglaubt hatte, seinen Schmerz und seine Schuld vergessen zu können, als er in Hiske Aalkens Augen gesehen hatte, die mit ihrer Mischung aus Blau und Grün eigentümlicher nicht hätten sein können. Aber er war nicht so weit gewesen, konnte sich seine Schuld nicht verzeihen. Er hatte seine Gefühle verdrängt, dabei die Annäherungsversuche Annekes nicht entschieden genug zurückgewiesen. Fast hätte er damit einen großen Fehler begangen, der ihm auch die Rückkehr heute unmöglich gemacht hätte. Anneke war klug, was den Umgang mit Männern anging. Sie hatte nicht eine Sekunde sein Herz berührt, und doch ging von der Marketenderin eine starke körperliche Anziehungskraft aus, der auch er sich kaum entziehen konnte, erkannte er bei ihr doch Parallelen zu einem Menschen aus seiner Vergangenheit, die nicht gut für ihn waren.
    In Emden gab es viele schöne Weiber, und er hätte viele haben können. Doch es war kein Augenblick vergangen, an dem er nicht an Hiske gedacht hatte. Immer war ihm ihr schönes dunkles Haar in den Sinn gekommen, der frische süßliche Duft ihrer Haut und ihr Lachen, das nicht schöner sein konnte, vor allem, wenn ihre Augen dabei blitzten. Doch er durfte sie nicht unglücklich machen. Er war ein Mann, der sich nicht binden sollte, ein Mann, der nicht lieben durfte. Zu viel war geschehen, zu viel lastete auf seinen Schultern. Dennoch war die Sehnsucht nach Hiske immer unerträglicher geworden. Überall sah er junge Frauen mit Kindern, überall wurde er mit der Nase darauf gestoßen, was er im Leben verpasste, wenn er sich nicht endlich verzieh.
    Jan war hin- und hergerissen, hatte seine Rückkehr in die Herrlichkeit immer wieder verschoben und gleichzeitig nach einem Grund gesucht, endlich wieder zurückzufahren. Als ihm sein neuer Freund, der Arzt Jacobus Cornicius, von der Marschenfieber-Epidemie in Gödens erzählt hatte, war Jan schließlich doch aufgebrochen. Nicht ohne das Versprechen, alsbald zurück nach Emden zu kommen. Sie waren mit ihren Forschungen noch lange nicht fertig.
    Als es aber endlich entschieden war, hatte die Erleichterung überwogen. Jan ertappte sich dabei, dass er sich aufrichtig freute. Er stand am Bug des Schiffes und sog die Luft ein. Es war sehr warm, direkt über dem Wasser hatte sich eine dünne Nebelschicht gebildet. Der Geruch hier war ihm vertraut, es war das Gefühl des Nachhausekommens.
    »Darf ich mich dazugesellen?« Ein kleiner, eher schmächtiger Mann mit Barett, lustig blitzenden Augen und einer weißen Halskrause über dem schwarzen Gewand stellte sich zu dem Arzt. »Lübbert Jans Kremer ist mein Name. Ich bin Kaufmann und beobachte Euch schon eine ganze Weile. Ich habe Emden mit meiner Frau
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