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Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo

Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo

Titel: Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Autoren: Michael Böckler
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zur Belohnung schon mal einen Hundekuchen, nahm die Hacke aus dem Gürtel, kniete sich hin und vergrößerte mit dem Sapin das Erdloch. Es dauerte nicht lang, bis er die Trüffel freigelegt hatte. Sie war nicht ganz so groß wie jene vom letzten Jahr, aber auch ein herausragendes Exemplar ihrer Gattung. Vor dem Loch kniend, den Tartufo in den Händen, verdrängten unbeschreibbare Glücksgefühle all jene merkwürdigen, irrationalen Ängste, die ihn bis vor wenigen Minuten geplagt hatten. Kein Gedanke mehr an zerstochene Reifen, keine Sorge, dass Profumo einem vergifteten Köder zum Opfer fallen könnte, keine alte Hexe, weder kleine Monster noch die Riesenfledermaus, kein Teufel …

    Der Schuss, der von der anderen Seite der Lichtung abgefeuert wurde, traf Ildefonso in den Rücken, das Projektil durchschlug sein Schulterblatt, zerfetzte das Herz des Trüffelsuchers und trat vorne wieder aus. Profumo machte einen mächtigen Satz zur Seite und ging jaulend hinter einem Baum in Deckung. Ildefonso stürzte kopfüber auf den Waldboden, lag in einer rasch größer werdenden Blutlache, die Trüffel auch im Tod fest in den Händen. Hätte er noch gelebt, wäre ihm vielleicht die alte Sage eingefallen, dass die besten Trüffelplätze jene seien, die mit Menschenblut getränkt seien. Aber Ildefonso konnte nicht mehr denken. Sein Leben, es war vorbei. Für einen Trüffelsucher vielleicht sogar ein schöner Tod – den letzten Blick auf einen wunderbaren Tartufo bianco gerichtet, den überwältigenden Duft in der Nase und in Erwartung großer Anerkennung. Aber der Tod Ildefonsos, er war gewaltsam, brutal – und vor allem zu früh, viel zu früh für einen Trifolao in den besten Jahren.

    Der Schuss war längst verhallt. Friedlich lag sie da, die Lichtung. Der Mond am Himmel verblasst, die noch tief stehende Morgensonne ihre ersten Strahlen in den Wald werfend. Profumo hatte sein Versteck verlassen, stupste Ildefonsos Leichnam mit der Schnauze, rollte ihn mit den Vorderpfoten auf die Seite und schleckte ihm das Gesicht. Als alles nichts half, suchte er in der rechten Jackentasche nach den Hundekuchen – die Trüffel ignorierte er!

2
    G ianfranco oder Giorgio? Eine schwierige Frage. Jedenfalls dann, wenn man sonst keine Probleme hatte. Hippolyt Hermanus stand in der Küche seines toskanischen Bauernhauses und betrachtete das Fleisch vom Wildschwein, das er auf einem Holzbrett in kleine Würfel geschnitten hatte. Er würde sich an einem Cinghiale in umido* versuchen, einer Art Wildschweingulasch mit schwarzen Oliven und Polenta. Gianfranco oder Giorgio? Nun, diese fundamentale Entscheidung ließ sich guten Gewissens bis morgen aufschieben. Zunächst forderte das Gulasch seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Was brauchte er für die Marinade? Schalotten, eine Karotte, Lorbeerblätter, drei Knoblauchzehen, Thymian und Rosmarin. Hippolyt arbeitete grundsätzlich ohne Kochbuch. Das ungefähre Rezept hatte er im Kopf – ansonsten hoffte er auf die Inspiration des Augenblicks. Den Sellerie würde er kreativ weglassen, schlicht deshalb, weil er vergessen hatte, einen zu besorgen. Aber an die Gewürznelken hatte er gedacht, die waren unverzichtbar. Dann das Ganze mit dem Fleisch in eine große Schüssel geben, die Oliven dazu, mit Chianti aufgießen, Alufolie darüber und kalt stellen. Perfetto, das war’s. Wenigstens für den Augenblick. Er mochte dieses Gericht schon deshalb, weil die Zubereitung große schöpferische Pausen zuließ. In denen würde er es sich in dem Korbsessel auf der Loggia bequem machen und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen – dem
dolce far niente
, dem süßen Nichtstun.

    Hippolyt Hermanus lebte seit nunmehr gut zwei Jahren in diesem kleinen, bescheidenen Rustico in der südwestlichen Toskana*, genauer gesagt in der Nähe von Montescudaio. Präzisere Ortsangaben machte er nur selten, er wollte sich das unschätzbare Privileg bewahren, einfach nicht auffindbar zu sein. Wer etwas von ihm wollte, konnte ja versuchen, ihn telefonisch zu erreichen. Was allerdings auf dem Festnetz fast immer scheiterte, denn ihm stand nur selten der Sinn nach Konversation. Erfolgversprechender waren E-Mails. Diese pflegte er zu beantworten – natürlich nicht sofort, aber immerhin. Seine Handynummer? Die kannte vorsichtshalber nur ein kleiner, handverlesener Personenkreis.

    Hippolyt, der von seinen Freunden Hipp genannt wurde – für seinen umständlichen Namen konnte er nichts –, hatte in seinem früheren Leben als
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