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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder
Autoren: Rebecca Gablé
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einer Handvoll Ritter nach England kam, um die Krone seiner Mutter zu erkämpfen, seine Gefährten und sein Geld aber verlor und allein durch East Anglia irrte, bis König Stephen ihm schließlich aus der Klemme half und ihn zurück nach Hause schickte. Die Mär vom Dämonenblut ist ebenso belegt wie Henrys Nähkünste, und »Bei den Augen Gottes« war tatsächlich sein liebster Ausspruch, denn der galt als extrem blasphemisch, und Henry gefiel sich in der Rolle des Enfant terrible .
    Zwei Legenden sind Ihnen in diesem Roman begegnet, die im kollektiven Bewusstsein des englischen Hochmittelalters eine wichtige Rolle gespielt haben. Die eine ist die des Gerberlehrlings William of Norwich, der 1144 starb − angeblich als Opfer eines von Juden verübten Ritualmords. Natürlich entbehrt dieser Vorwurf jeder Grundlage, aber in der Geschichte des nachbarschaftlichen Zusammenlebens von Christen und Juden ist es immer wieder zu solchen Unterstellungen gekommen. William of Norwich war – jedenfalls nach Lage der Quellen − lediglich der erste von vielen solcher Fälle im europäischen Mittelalter. Das Zusammenleben von Juden und Christen gestaltete sich oft schwierig, da es von Vorurteilen, Misstrauen und vor allem Unkenntnis auf beiden Seiten geprägt war, was sich nie besserte, weil die geistlichen Führer beider Religionen gesellschaftliche Kontakte zwischen Angehörigen der beiden Gemeinschaften missbilligten und teilweise gar verboten. Trotzdem sind auch Fälle von Freundschaften, von zum Judentum übergetretenen Christen und zum Christentum konvertierten Juden und sogar von Mischehen belegt. Letztere zogen den Verstoß aus der Glaubensgemeinschaft, Enteignung und/oder ruinöse Geldstrafen nach sich.
    Die zweite Legende ist die des heiligen Edmund. Sie deckt sich etwa mit der Geschichte, die King Edmund im Roman in der Kirche von Gilham erzählt. Die gesicherten Fakten über diesen angelsächsischen König sind hingegen eher dünn. Laut einem knappen Bericht der Angelsachsenchronik schlug das dänische Invasionsheer Edmunds Armee im Jahr 869 und tötete den König. Die Legendenbildung und Heiligenverehrung begannen kurz darauf. Nach seinem Tod an unbekannter Stelle begraben, wurden die sterblichen Überreste im Jahr 906 in das Kloster überführt, das später Bury St. Edmunds genannt wurde und welches Dank seines berühmten Heiligen eines der reichsten und mächtigsten Klöster im mittelalterlichen England wurde. Wie der Schrein im 12. Jahrhundert aussah, wissen wir nicht, nur dass er hinter dem Hochaltar stand. Er wurde 1327 erstmals demoliert (von wütenden Bürgern der Stadt übrigens, die Streit mit den Mönchen hatten), und der im gotischen Stil wiedererbaute Schrein wurde bei der Aufhebung des Klosters 1539 zerstört – zusammen mit der Abteikirche.
    Der heilige Edmund war während des gesamten Mittelalters so berühmt, dass er Pilger aus ganz Europa anzog, und er war Englands Nationalheiliger, bis der Drachentöter St. Georg ihn im 14. Jahrhundert aus dieser Position verdrängte.
    Es ist übrigens wahr, dass Eustache de Boulogne nach der Einigung zwischen seinem Vater und Henry Plantagenet bei Wallingford nach East Anglia zog und die Umgebung von Bury St. Edmunds verwüstete. Die Umstände, unter welchen er dabei ums Leben kam, sind nicht ganz geklärt, aber die Leute in East Anglia sagten damals, der heilige Edmund habe seine Hand im Spiel gehabt …
    Geistig und körperlich behinderte Menschen und ihr Platz in der mittelalterlichen Gesellschaft sind nicht ganz einfach zu recherchieren, weil über das Thema nicht viele Quellen existieren. Mary und Eliza, die zusammengewachsenen Zwillingsschwestern aus Biddenden, von denen der Wachsoldat in Westminster Simon erzählt, hat es tatsächlich gegeben. Sie starben 1134 mit Mitte dreißig und beide innerhalb weniger Stunden, weil die überlebende Schwester eine Trennung ablehnte. Noch heute verteilt man in Biddenden zu Ostern kleine Küchlein mit einer Abbildung von Mary und Eliza, um an ihre ungewöhnliche Großzügigkeit zu erinnern.
    Psychopathische Serienmörder wie Reginald de Warenne sind keine Erscheinung unserer Zivilisation, wie mancher vielleicht annimmt, sondern gab es immer schon. Ihr berüchtigtster Vertreter im Mittelalter war natürlich Gilles de Rais, jener adlige Kampfgefährte der Jungfrau von Orléans, der nach ihrem Tod tiefer und tiefer in Okkultismus und sexuelle Perversion sank und – nach vorsichtigen Schätzungen – 140 Kinder und
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