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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition)
Autoren: Claudia Walter
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ich
halbblind unter dem Sitz herumfummelte, nahm ich von draußen dumpf das Auf- und
Abschwellen diverser Motoren wahr, die darauf hindeuteten, dass sich der
Parkplatz immer mehr füllte. Dazwischen drangen fröhliche Stimmen an mein Ohr,
unter denen ich auch Mikes ausmachte. Endlich hatte ich den Knoten gelöst und
tauchte mit hochrotem Gesicht und wirrem Haar (ein rascher Blick in den
Rückspiegel bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen) wieder auf. Doch dann
verharrte ich unschlüssig in meiner kleinen, sicheren Kapsel. Die Nervosität
überwältigte mich. Brachte ich es wirklich über mich, dort rauszugehen und mich
all den neugierigen Blicken zu stellen? Noch dazu in diesem derangierten
Zustand?
    Verstohlen
schaute ich mich um in der vagen Hoffnung, dass inzwischen alle anderen im
Schulgebäude verschwunden wären. Pustekuchen. Natürlich standen sie alle noch
da und schienen es nicht besonders eilig zu haben. Mike stand bei einigen von
ihnen und quatschte. Klar, er kannte bestimmt alle hier. Und so, wie es aussah,
war er zu ihnen um einiges freundlicher als zu mir. Naja, war ja ehrlich gesagt
auch kein Wunder. Ich hatte es noch nie geschafft, bei anderen auf viel
Gegenliebe zu stoßen. Ich seufzte. Mir würde wohl nichts anderes übrig bleiben,
als mich zu ihm zu begeben. Ich konnte nur hoffen, dass er seine Abneigung mir
gegenüber nicht allzu offen zeigen würde. Möglichst leise und unauffällig
öffnete ich die Beifahrertür auf der linken Seite und eilte dann mit wackligen
Knien in seine Richtung.
     
    Im nächsten
Augenblick geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Ein ohrenbetäubendes Hupen,
gefolgt von einem markerschütternden metallischen Kreischen direkt hinter mir
versetzte mir den Schock meines Lebens. Alle Gespräche um mich herum
verstummten schlagartig und mehrere Dutzend entsetzte Gesichter starrten mich
und irgendetwas hinter mir mit schreckgeweiteten Augen an. Ich drehte meinen
Kopf langsam, wie in Zeitlupe, in dieselbe Richtung. Aus dem Augenwinkel
registrierte ich noch, wie Mike sich aus seiner Erstarrung löste und auf mich
zu gerannt kam. Er schrie irgendetwas. Aber mich interessierte nur das, was
hinter mir war. Als ich es zu Gesicht bekam, blieb mir fast das Herz stehen.
    In rasendem
Tempo rutschte ein schwer aussehendes, schwarzes Motorrad auf mich zu. Der
Fahrer hielt sich krampfhaft fest und riss hektisch am Lenker, doch die
Maschine kam unaufhörlich näher. Sie war nur noch Zentimeter von mir entfernt.
Nichts konnte sie jetzt noch aufhalten. Obwohl mir in diesem Moment klar wurde,
dass sie mich zerquetschen würde, war ich wie gelähmt. Meine Beine waren schwer
wie Blei, und ich konnte sie keinen Millimeter bewegen. Ich konnte noch nicht
einmal die Augen abwenden. Es war, als wäre ich eingefroren. Ich hörte einfach
auf zu atmen und machte mich auf den unvermeidlichen Aufprall gefasst.
    Die Maschine
traf mich mit voller Wucht mitten in den Bauch. Ich klappte zusammen wie eine
Gummipuppe und spürte, wie meine Knochen zersplitterten wie Streichhölzer. Im
nächsten Moment brach ein Vulkan in meinem Rücken aus und spie Ströme kochender
Lava in alle Richtungen. Der Schmerz war unbeschreiblich. Wie durch einen
blutroten Nebel hörte ich Schreie, sah, wie die Welt vor meinen Augen kippte,
merkte den dumpfen Aufprall meines Kopfs auf dem harten Asphalt, spürte, wie
mein Hinterkopf aufplatzte. Und dann - nichts mehr. Mit einem Schlag herrschte
Totenstille. Als wäre die Welt um mich herum urplötzlich verschwunden und hätte
alle Schmerzen mit sich genommen. Nur mich gab es noch. Mich und den blaugrauen
Himmel, der jetzt langsam eine immer strahlendere Farbe annahm und immer näher
kam, bis ich das Gefühl hatte, mit ihm eins zu werden. Natürlich war mir klar,
was das bedeutete. Aber komischerweise machte es mir nichts aus. So leicht wie
jetzt hatte ich mich im Leben jedenfalls nie gefühlt.
     
    „Clarissa! Was
ist los? Träumst du?“ Mikes vertraut genervte Stimme weckte mich. Verwirrt
blickte ich mich um. Was war los? Wo war ich?
    Zunächst
erstaunt, dann zunehmend beunruhigt registrierte ich, dass ich mitten auf dem
Parkplatz stand, meinen Rucksack an mich gepresst, als wäre ich am Boden
festgewachsen, während Mike, umringt von einer Traube uniformierter Mitschüler,
deren Blicke zwischen neugierig und spöttisch schwankten, mich prüfend ansah.
Angesichts der allgemeinen Aufmerksamkeit wäre ich am liebsten augenblicklich
im Erdboden versunken. Wenn ich mich nur erinnern
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