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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition)
Autoren: Claudia Walter
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erwachte mit Kopfschmerzen und einem
flauen Gefühl in der Magengrube.
    Ich war nie gern
zur Schule gegangen, was nicht so sehr am Unterricht oder an den Lehrern
gelegen hatte, sondern vor allem an meinen Mitschülern. In meinem
ach-so-idyllischen Heimatort (Was kann man von einem Kaff schon erwarten, das Kirchdorf heißt!) war ich von Anfang an eine Außenseiterin gewesen. Anders sein war eben
nie ein Vorteil, und in einer Kleinstadt schon gar nicht. Wenigstens wurde ich,
seit meine Mutter mich in einem ihrer seltenen hellen Momente zum
Karatetraining geschickt und ich daraufhin dem nächstbesten meiner lieben
Mitschüler die Nase gebrochen hatte (was mir beinahe den Rauswurf aus der
Schule eingebracht hatte) in der Regel in Ruhe gelassen. Mehr wollte ich gar
nicht. Auf Freunde wie meine Mitschüler konnte ich wirklich verzichten.
    Der Blick in den
Spiegel, nachdem ich mich geduscht und angezogen hatte, trug auch nicht dazu
bei, mein Selbstbewusstsein zu heben. Mit meinem blassen Gesicht und den
schwarzen Haaren über der schrecklichen dunkelblauen Uniformjacke und dem
unsäglichen, weil viel zu kurzen Faltenrock, sah ich einfach fürchterlich aus.
Und so fühlte ich mich auch. Es war ja schon schlimm genug, dass man in
Schottland überhaupt Schuluniformen trug. Aber damit hätte ich mich vielleicht
noch – notgedrungen - arrangieren können, wenn die Sache mit den Röcken nicht gewesen wäre. Ich trug niemals Röcke! Ich hasste Röcke! Meinen
letzten Rock hatte ich in der ersten Klasse getragen. Und zwar genauso lang,
wie die Jungs gebraucht hatten, mich zu ihrem bevorzugten Opfer auszuwählen.
Nach einem entsetzlich demütigenden Tag, an dem die halbe Schule freien Blick
auf meine Unterwäsche gehabt hatte, hatte ich mir geschworen, nie wieder etwas
anzuziehen, was mich so hilflos fühlen ließ. Und diesen Schwur hatte ich
seither immer gehalten. Immer - bis zum Freitagnachmittag, als Mike mich
widerwillig, aber dennoch zielstrebig zu einem Klamottengeschäft in der
Innenstadt von Inverness geführt hatte.
    Wie zum Hohn in
Anbetracht meiner äußerst gedämpften Stimmung bimmelte das Glöckchen an der
Eingangstür fröhlich, als wir in den kleinen, vollgestopften Laden traten.
Sofort kam eine eifrige Verkäuferin angewuselt. Mike erklärte ihr, was wir
suchten, und nach einem abschätzenden  Blick auf mich verschwand sie hinter
einer Tür im hinteren Teil des Ladens, um nach relativ kurzer Zeit mit einem
Arm voller Kleidungsstücke wieder aufzutauchen. „Hier, das müsste deine Größe
sein.“ Mit diesen Worten drückte sie mir den Klamottenberg in meine Arme. „Die
Umkleiden sind da vorne. Wenn du Hilfe brauchst, melde dich einfach, okay?“ Ich
nickte und wankte schwerbeladen davon, gefolgt von Mike. Inständig hoffte ich,
dass er nicht etwa von mir erwartete, dass ich ihm die Klamotten, mit denen ich
mich gleich verkleiden musste, auch noch vorführen würde.
    In der
Umkleidekabine legte ich die ganze Ladung vorsichtig, als könnte sie mich
beißen, wenn ich sie nicht sorgsam genug behandelte, auf den Hocker in der
Ecke.  Nachdem ich den Vorhang zugezogen und mich vergewissert hatte, dass er
auch an den Seiten dicht schloss, zog ich zögernd Jacke und Pulli sowie meine
schwarze Jeans aus. Dann wühlte ich in dem Berg auf der Suche nach etwas
Passendem. Eigentlich trug ich nur eine Art Kleidung –möglichst unauffällig.
Jeans, T-Shirt, Pulli, fertig. Am liebsten in schwarz. Daher stand ich jetzt
ziemlich hilflos vor dem Haufen weißer und dunkelblauer Teile, die mich hämisch
angrinsten. Aber Mike hatte mir unmissverständlich klargemacht, dass an der
Schuluniform kein Weg vorbeiging. Also musste ich wohl in den sauren Apfel
beißen. Wahllos griff ich in den Berg hinein und beförderte als erstes ein
kurzärmeliges weißes Hemd an die Oberfläche. Es sah einigermaßen passend aus,
und ich zog es an. Da konnte man schließlich nicht allzu viel falsch machen.
Dann wühlte ich weiter und fand noch mehr Hemden, zwei verschieden große Blazer
und einige Röcke, die ich sofort ganz in die Ecke schob. Suchend ließ ich
meinen Blick schweifen. Irgendwo mussten doch auch ein paar Hosen sein. Aber
auch eine nochmalige, sorgfältige Suche förderte keine solchen zutage.
    Zögernd steckte
ich meinen Kopf aus der Umkleidekabine, bemüht, den Rest des Vorhangs so
festzuhalten, dass niemand meine nackten Beine oder gar mehr sehen konnte.
„Mike?“
    Er saß ein
Stückchen entfernt auf einem Stuhl. Als er mich hörte,
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