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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition)
Autoren: Claudia Walter
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zwei Pizzakartons aus dem Auto geholt und mir in die
Hand gedrückt hatte und es sich dann zu meiner weiteren Verlegenheit nicht
nehmen ließ, meine Monstertasche eigenhändig hinein zu schleifen.
    Innen führte er
mich erst einmal ins Wohnzimmer. Während ich mir mit leichtem Horror die
Einrichtung der Marke „Düster und Schäbig“ ansah, wobei mir insbesondere
mehrere überladene, angestaubte Bücherregale ins Auge fielen, verschwand er in
der Küche und kehrte kurz darauf mit zwei gefüllten Wassergläsern und den
Pizzas zurück. Ich bekam jedoch nur wenige Bissen herunter. Ich war viel zu
nervös.
    Nach dem Essen
zeigte Mike mir den Rest des Hauses. Wie das Wohnzimmer war es eng, düster und
reichlich verwohnt. Das Erdgeschoss bestand aus dem bereits gesehenen
Wohn-Ess-Zimmer sowie einer Küche, aus der eine Hintertür in einen kleinen
Garten führte. Aus dem Eingangsflur führte eine Treppe hinauf ins Obergeschoss.
Dort zeigte er mir das Gästezimmer, das für das kommende Jahr mir gehören
sollte.  Direkt daneben war das Zimmer von Mike und am Ende des schmalen Flurs
sah man noch eine geschlossene Tür, hinter der sich das Zimmer von Mikes Vater
befand. Alles in allem hatte ich noch nie ein weniger einladendes Haus gesehen
als dieses, das für die nächsten zwölf Monate mein „Zuhause“ sein sollte. Der
Kloß in meinem Hals wurde immer größer.
    Doch bevor ich
endlich in „mein“ Zimmer verschwinden und  mich in meinem Elend suhlen konnte,
blieb Mike noch mit mir vor meiner Tür stehen. „Also, wirst du bleiben?“, stieß
er in einem Ton hervor, der deutlich verriet, dass er auf das Gegenteil hoffte.
    Ich zuckte
zusammen und schluckte, nickte dann aber kläglich. Was blieb mir schließlich
anderes übrig?
    Er seufzte.
„Dann muss ich dir noch was sagen.“
    Na super. War ja
klar, dass es noch einen Haken gab. Als ob das alles – Schottland
überhaupt, das schäbige Haus und seine totale Abneigung gegen mich – nicht
schon genug war. Was kam denn noch? Ich wappnete mich innerlich.
    „Du hast dich
vielleicht schon gewundert, dass dich mein Vater noch gar nicht begrüßt hat.“
    Nun ja, gewundert war vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Gefreut hätte es eher
getroffen. Ich war total erleichtert gewesen, mich nicht gleich auch noch mit
einem wildfremden Mann unterhalten zu müssen. Mike allein war ja schon stressig
genug. Ich zuckte mit den Schultern und wartete misstrauisch.
    „Also, mein
Vater…“ Er zögerte. „…mein Vater ist nämlich im Moment nicht da. Und er wird
vermutlich auch erst in etwa zwei Monaten wiederkommen.“
    „Aha?“ Ich wartete
auf eine Erklärung, die jedoch nicht folgte.
    Stattdessen fuhr
Mike fort: „Wenn du Bedenken hast, mit mir allein hier zu wohnen, und lieber in
eine andere Familie wechseln willst, würde ich das natürlich verstehen.“ Er sah
mich hoffnungsvoll an.
    Bedenken? Die
hatte ich allerdings! Mehr als genug! Aber wie schon gesagt – ich hatte ja
keine Wahl. Und wer weiß, was mich in einer anderen Familie erwarten würde,
hier in diesem trübsinnigen Land. Und so schüttelte ich schließlich den Kopf
und krächzte: „Nein, ist schon in Ordnung. Ich bleibe.“
    Mike bemühte
sich nicht wirklich, seine Enttäuschung zu verbergen, und so flüchtete ich mit
letzter Kraft, meine Tasche hinter mir her zerrend, in mein neues Zimmer. Die
Tür fiel zu, und ich konnte endlich meinen Tränen freien Lauf lassen.

Déjà Vu
    Clarissa
     
    Die ersten Tage
in Inverness verbrachte ich in einer Art ungläubigem Dämmerzustand.
Wahrscheinlich hoffte ich insgeheim immer noch darauf, plötzlich in meinem
heimischen Bett aufzuwachen und zu erkennen, dass diese ganze Episode nur ein
weiterer Alptraum gewesen war. Mike sah ich in dieser Zeit kaum. Wo immer es
ihm möglich war, schien er mir aus dem Weg zu gehen, was mir gerade recht war.
Sein missmutiges Schweigen bei unseren gemeinsamen Mahlzeiten, die er mir pflichtschuldigst
anbot, zerrte sowieso schon genug an meinen nicht gerade starken Nerven. Den
Rest des Tages verbrachte ich daher lieber in meinem Zimmer mit einem meiner
Bücher. Das waren schon immer meine einzigen wahren Freunde gewesen. Wie es
allerdings werden sollte, wenn ich sie alle durchgelesen hatte  - was bei
meinem momentanen Lesetempo nicht allzu lange dauern würde – daran wagte ich
noch gar nicht zu denken.
     
    Trotz allem viel
zu schnell war Montag. Ich hatte in der Nacht (wie auch in allen Nächten
vorher) mal wieder kaum geschlafen und
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