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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition)
Autoren: Claudia Walter
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sich
allmählich Wolken vor die mittlerweile hoch am Himmel stehende Sonne schoben
und es zunehmend nach Regen aussah, hielt Arik an, drehte sich um und ging dann
wieder los, die gleiche Strecke am Wasser entlang zurück. Und nun wurde ich
endgültig irre – denn während die Wolken ihre Richtung änderten und wieder abzogen,
drehte die Sonne ebenfalls um und begann nun zügig wieder tiefer zu sinken.
    Wie ein
störrisches Pferd stemmte ich meine Füße in den Sand, blieb stehen und entzog
Arik meine Hand. „Stopp! Ich gehe keinen Schritt weiter, bevor du mir nicht
sagst, was hier los ist!“
    Er sah mich
lange Zeit an. Prüfend. Als wollte er herausfinden, ob ich die Wahrheit
wirklich verkraftete. Dann setzte er sich unvermittelt auf dieselbe Bank, auf
der wir vor unserer mysteriösen Wanderung gesessen hatten. Ich zögerte kurz,
dann setzte ich mich neben ihn, achtete aber auf einen gewissen Abstand. Dieses
Mal würde ich mich von nichts ablenken lassen. Nicht, bevor ich nicht wusste,
was hier gespielt wurde. Ich zog meine Knie an und legte meine Arme fest um
sie. Dann sah ich ihn auffordernd an.
    „Ich weiß nicht,
wo ich anfangen soll“, begann er. Und er sah wirklich ratlos aus.
    „Was hast du mit
der Sonne gemacht?“
    Zu meiner
Verblüffung lachte er kurz auf, wurde dann aber schnell wieder ernst. „Mit der
Sonne? Gar nichts. Da überschätzt du mich.“
    „Aber was hast
du dann gemacht? Wie kann die Sonne sich erst in die eine und dann wieder in
die andere Richtung bewegen?“
    „Ich sagte doch
schon, mit der Sonne ist alles in Ordnung. Sie hat sich bewegt wie immer.“
    „Aber das stimmt
nicht. Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen, wie sie ihre Richtung geändert
hat! Erst ist sie aufgegangen und dann, als wir umgedreht sind…“ Ich verstummte.
Schlagartig ging mir auf, worauf er hinauswollte. Wenn dieSonne sich
bewegt hatte wie immer, dann mussten wir es sein, mit denen etwas anders
war. War es das, was er meinte?
    Er sah mich nur
an.
    „Aber – wie hast
du das gemacht? Wie können wir es so aussehen lassen, als würde die
Sonne sich rückwärts bewegen?“
    „Ja, wie?“,
fragte er zurück.
    Ich kam mir vor
wie in der Schule. Lehrer hatten genau die gleiche nervige Angewohnheit, eine
Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. Ich kräuselte die Stirn.
Offensichtlich war das die Schlüsselfrage. - Wieging das? Was musste
man tun, um so einen Eindruck hervorzurufen? Ich hatte keine Ahnung. War ich
einfach zu blöd?
    „Du wolltest es
mir erklären, nicht mit mir Rätsel raten“, beschwerte ich mich entnervt.
    „Also gut“, gab
er nach. „Stell dir vor, du gehst neben einem Menschen her, der immer geradeaus
in dieselbe Richtung geht. Was passiert, wenn du umdrehst und zurückgehst?“
    „Dann gehen wir
in entgegengesetzte Richtungen“, antwortete ich ratlos. Das war ja wohl
offensichtlich.
    „Genau. Und
jetzt stell dir mal vor, du wüsstest aber nicht, dass du umgedreht hast. Du
drehst um, aber du glaubst, dass du immer noch in dieselbe Richtung wie vorher
gehst. Wie wirkt der Andere dann auf dich?“
    Darüber musste
ich erst nachdenken. „Ich habe den Eindruck, dass er sich umgedreht hat
und nun in die entgegengesetzte Richtung geht?“, antwortete ich schließlich.
    „Genau.“ Seine
Stimme klang, als wäre damit alles gesagt, aber ich verstand immer noch nicht,
was das mit uns und der verkehrten Sonne  zu tun hatte. Es sei denn…
    „Du willst also
sagen, dass die Sonne immer weiter geradeaus gelaufen ist und wiruns
umgedreht haben, ohne es zu merken?“, fragte ich schließlich.
    Er nickte.
    „Aber – ich habedoch gemerkt, dass wir umgedreht sind. Und außerdem kann man in jede
beliebige Richtung laufen und es sieht trotzdem immerso aus, als ob die
Sonne in Richtung Westen zieht. Und nicht plötzlich nach Osten.“
    „Solange du in
solchen Dimensionen denkst, stimmt das“, entgegnete er.
    Das half mir
auch nicht weiter. „Was für Dimensionen?“
    „Ost und West.“
    „Und wie sollte
ich stattdessen denken?“
    Doch er
bevorzugte es, mir weiter Fragen zu stellen statt Antworten zu liefern. „Welche
kennst du denn noch?“
    „Dimensionen?“
Oh Mann. „Länge, Breite, Höhe“, rasselte ich herunter. Endlich war der
Geometrieunterricht mal zu was nütze.
    Arik schien
allerdings nicht besonders beeindruckt. „Ich sagte doch, du musst in anderenDimensionen denken. Nicht nur“ – er zögerte kurz – „räumlichen.“
    Welche gab es
denn sonst noch? Vielleicht –
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