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Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Andrej Djakow
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Leuten teilt man doch gern. Es gibt bestimmt ein hübsches Feuerwerk, wenn die Treibstofftanks in die Luft fliegen, was meinst du?«
    Als Gleb die blinkende Warnleuchte an der Instrumententafel bemerkte, kletterte er vom Pilotensitz.
    »Halt einfach das Steuer gerade!«, rief er seiner Kopilotin zu. »Die Heckklappe hat sich aus irgendeinem Grund nicht geschlossen. Ich schaue nach, woran es hakt, und komme dann sofort zurück.«
    Das erhebende Gefühl, den riesigen Dinosaurier allein zu fliegen, hatte den Jungen mit solcher Euphorie erfüllt, dass er im ersten Moment nicht begriff, was geschah, als er den Frachtraum betrat. Gefährlich nah am Rand der Laderampe kämpften Taran und Sungat ineinander verkrallt auf Leben und Tod.
    Gleb kam nicht mehr dazu, einzugreifen. Gerade eben noch hatten die Kämpfer versucht, einander die Handgranate zu entreißen, doch dann verlor der Bandit das Gleichgewicht und stürzte in die Fluten. Den Stalker riss er mit sich. Ein paar Sekunden später gab es irgendwo dort draußen eine Explosion …
    Später erinnerte sich Gleb nur noch dunkel an jene Augenblicke totaler Verzweiflung. Heulend sank er auf die Knie und streckte die Arme dem gurgelnden Abgrund entgegen, in dem sein Vater verschwunden war. Doch das Meer interessierte sich nicht für seinen Schmerz.
    Der Junge riss sich zusammen, stand auf und kehrte ins Cockpit zurück. Klaglos fügte sich das »Kaspische Monster« dem Willen seines jugendlichen Piloten und zog eine breite Wendeschleife.
    Doch auch nach mehrfachem Überfliegen der Unglücksstelle blieb die Suche nach Taran ergebnislos. Zwischen den schäumenden Wellenkämmen war nirgends eine menschliche Gestalt zu entdecken. Unterdessen sanken mit jedem Liter Sprit, den das durstige Monster schluckte, die ohnehin geringen Chancen auf ein erfolgreiches Ende der Mission.
    Gleb klammerte sich so verbissen an das Steuerhorn, dass seine Finger schmerzten. Doch auf einmal wurde ihm mit einer für ihn selbst überraschenden Klarheit bewusst, dass er es sich nicht erlauben konnte, impulsiv zu handeln und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Er musste in den nächsten Minuten eine Entscheidung treffen und durfte unter keinen Umständen einen Fehler machen.
    Irgendwann stehen wir alle einmal vor der Wahl. Um das eine zu bekommen, müssen wir etwas anderes aufgeben. In solchen Momenten ist es entscheidend, nicht dem nachzutrauern, was man verliert. Denn so bitter der Verlust auch sein mag, er ist der gerechte Preis, den wir für unsere Wahl bezahlen müssen …
    »Danke, Papa … Ich habe es nicht vergessen«, flüsterte der Junge tonlos.
    Gleb schaute zu Aurora hinüber. Ihre Blicke trafen sich.
    »Wir können morgen früh weitersuchen«, sagte sie, obwohl sie wusste, dass der Vorschlag absurd war.
    »Nein«, erwiderte Gleb so leise, dass seine Begleiterin ihm die Antwort von den Lippen ablesen musste.
    Dieses Nein war dem Jungen nur schwer über die Lippen gekommen, aber er hatte es dennoch ausgesprochen. Mehr für sich selbst, um Kraft und Mut zu schöpfen für das, was er sich vorgenommen hatte.
    »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen die Sache zu Ende bringen, an die mein Vater geglaubt hat. Und für die unsere Freunde gestorben sind. Wir werden Alpheios nach Sankt Petersburg bringen. Koste es, was es wolle.«
    Das Marschtriebwerk legte dröhnend an Drehzahl zu und beschleunigte das tonnenschwere Ungetüm. Getragen von der Luftwalze unter den Tragflächen, nahm das »Kaspische Monster« Kurs auf sein Ziel. Dieses lag irgendwo hinter jener fernen, kaum erkennbaren Kontur, die die Welt in zwei Hälften teilt.
    Jener scheinbar unerreichbaren und doch verheißungsvollen Linie, die sich uns ständig entzieht, uns immer wieder auf die Probe stellt und uns hilft, unsere Grenzen auszuloten.
    Jener schemenhaften Barriere, hinter die wir nur zu blicken vermögen, wenn wir an uns glauben.
    Dort, wo Träume in Erfüllung gehen.
    Hinter dem Horizont.

EPILOG
    Wie ein schmaler Teppich rollte sich der Waldpfad vor den Füßen aus, vorbei an Abhängen und dicken, knorrigen Wurzeln, die wie Krakenarme über den Boden krochen. Der alte Mann folgte dem Pfad ohne Eile durchs Dickicht. Der aus einer Haselnussrute zurechtgeschnitzte Stock in seiner faltigen Hand hob und senkte sich rhythmisch, vermaß Meter um Meter des nicht enden wollenden Wegs. Eines Wegs, der den erschöpften Wanderer bereits seit einem Jahr durch wilde Landschaften
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