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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz
Autoren: Alastair Reynolds
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Konzentration von Schwefelwasserstoff enthält – etwa achtzig Teile pro Million. Nach ein paar Minuten verlangsamt sich deine Atmung, und die Körpertemperatur fällt. Die Schwefelwasserstoffmoleküle lagern sich an dieselben Zellstrukturen an, die normalerweise vom Sauerstoff besetzt werden. Also sorgen wir dafür, dass der Sauerstoff draußen bleibt. Damit erzielen wir im Prinzip das gleiche Ergebnis wie mit der Salzlösung.«
    Axford wartete, bis sein Patient die Informationen verdaut hatte. Er blickte in Chisholms ausdrucksloses Gesicht, das ihm nichts verriet.
    »Vielleicht habe ich ein Detail verpasst«, sagte Chisholm, »aber mir scheint, dass beide Möglichkeiten darauf hinauslaufen, dass ich am Ende tot bin.«
    »Tot, aber vor ischämischen Schäden geschützt. Das ist der Sinn des Frostengels. Dein Zustand verschlimmert sich nicht mehr.«
    »Und dann – wenn wir es nach Hause schaffen – wird man mich zurückholen?«
    »Man wird sich alle Mühe geben.«
    »Wie viele Menschen haben diese Prozedur schon lebend überstanden?«
    »Im Rahmen des offiziellen Frostengel-Programms? Nicht so viele, wie ich mir wünschen würde.«
    »Also kein Einziger. Stimmt’s, Ryan?«
    »Ich will dir keine bitteren Pillen versüßen. Wie sich die Sache entwickelt, könnte man in zehn oder fünfzehn Jahren in der Lage sein, dich zurückzuholen. Vielleicht aber auch nicht.«
    »Das verstehe ich nicht. Du sagst, dass du mich auf null setzen kannst, aber du kannst keine Operation an meinem Gehirn durchführen?«
    »Der Prozess ist nicht sehr kompliziert. Er liegt – wie soll ich es ausdrücken – im Rahmen dessen, was wir an Bord dieses Schiffes leisten können.«
    »Du meinst, du würdest mich einfach mit Salzlösung fluten, ganz gleich, was passiert?«
    »Der Sinn des Frostengels besteht darin, es zu tun, bevor die Schädigung zu groß wird.«
    Chisholm starrte einen unbehaglichen Moment lang in die Leere, während Mingus weiterspielte. »Und du hältst diese Sache für eine gute Idee?«
    »Ich kann der medizinischen Logik folgen, zumindest in Anbetracht der Gegebenheiten. Das bedeutet nicht, dass ich davon begeistert wäre, die Prozedur durchzuführen. Es hängt vom Krankheitsgrad ab – und von der Wahrscheinlichkeit, rechtzeitig nach Hause zurückkehren zu können.« Axford war sich immer noch nicht sicher. »Wenn du es tun möchtest, heißt das nicht, dass ich mich weigern würde, es durchzuführen. Ich brauche deine Zustimmung – andernfalls wäre es Mord. Damit würde ich mir eine Menge Ärger einhandeln.«
    »Und das wollen wir doch vermeiden.«
    »Vielleicht müssen wir dich ja gar nicht einfrieren«, sagte Axford. »Vielleicht gibt es noch eine Möglichkeit, dich schnell genug zurückzubringen.«
    Chisholm nickte langsam, wie jemand, der gerade die Pointe eines Witzes verstanden hatte. »Janus, nicht wahr?«
    »Als Arzt empfehle ich dir, für die Mission zu stimmen«, sagte Axford. »Ich habe mit Bella gesprochen. Wenn wir das Janus-Rendezvous abgeschlossen haben, werden wir auf dem schnellstmöglichen Kurs nach Hause fliegen. Vielleicht können wir dich sogar schon unterwegs in ein Shuttle umladen. In jedem Fall müssten wir dich in sieben oder acht Wochen zur Erde geschafft haben.«
    »Ist das früh genug?«
    »Wenn wir zurückkehren, wird jeder ein Stückchen von uns haben wollen. Und wenn bekannt wird, dass wir einen Kranken an Bord haben, werden sich alle Nationen der Erde um das Privileg reißen, ihn behandeln zu dürfen.«
    Chisholm schloss die Augen und ließ sich in sein Kissen zurücksinken. Es war in den Maschinengeräuschen kaum zu hören, aber Mingus spielte nun »Open Letter to Duke«. Einen Moment lang hörten die beiden der Musik zu, als wäre darin irgendwo eine Antwort verborgen, an die sie bisher noch gar nicht gedacht hatten, eine Möglichkeit, sich dem Einfrieren oder der gefährlichen Begegnung mit etwas sehr Fremdartigem zu entziehen.
    »Und man hat noch nie jemanden zurückgeholt?«
    »Die Technik wird ständig verbessert. Sie sind schon bei Säugetieren angekommen. Letztes Jahr haben sie es mit einem Kaninchen geschafft.«
     
    Während der Wagen am Rückgrat der Rockhopper entlangglitt, zog Bella den Reißverschluss ihrer Jacke auf und holte den Flextop heraus, der sich an ihrer Körperwärme aufgeladen hatte. Eine schnelle Handbewegung ließ das Stück aus lederartigem Kunststoff erstarren. Das Menü des Schiffsnetzes wurde von den Iridophoren abgebildet, die an einigen Stellen
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