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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition)
Autoren: Maurizio Maggiani
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noch weiter, bis ins Paradies. Aber dann dachte sie noch einmal darüber nach und entschied sich für Angelica, wegen der Standhaftigkeit ihrer Liebe, wegen ihrer guten Absichten, wegen ihres außerordentlichen Beitrags zur Befreiung Medoros und des ganzen ländlichen Proletariats.
    Als ich es schließlich aufgab und aufstand, um mich mit meinen Arbeiten zu beschäftigen, blieb mir im großen Ganzen das Gefühl, dass aus dieser Tochter ein eher undurchsichtiger Typ werden würde. Doch so ist eben ihre Mutter: mit großem Wissen und kontrovers.
    Inzwischen versprachen ihre Brüste immer Besseres und ihr Bauch erblühte; ihre Haut wurde immer zarter und glänzender, ihr Mund breiter, ihre Zähne spitzer: Es hatte den Anschein, als sei sie im Begriff, vom einen auf den anderen Moment zu gebären. Mit einem halben Meter Schnee vor dem Haus fiel es uns dann natürlich leichter, uns zu lieben. Wir versuchten, es nicht inmitten der Bücher zu tun, da wir Regeln lieben und gerade diese mit unbeugsamer Entschlossenheit, erst recht nach der Nacht mit der fatalen Ausnahme. Aber es kam vor, dass wir uns an den kältesten Plätzen des Hauses wiederfanden und dort Lust bekamen. Ich glaube, das kam, weil es zu kalt war, um die Kleider auszuziehen; die Kleider behielten wir nämlich meistens an, und das kam unserem inneren Bedürfnis nach einer gewissen Zurückhaltung beim Koitus entgegen: Der Februar ist immer die Zeit der Reinigung.
    Zu Lichtmess kam wie gesagt der Omo Nudo zu uns, um sich im Schnee zu reinigen. Das tat er jeden Winter. Nicht dass unser Schnee etwas Besonderes wäre, aber da war auch noch die Suppe, und Nitas Suppe hatte dieses Ich-weißnicht-was, das dem Omo Nudo etwas sagt. Und es sagt ihm auch etwas, wie der Schnee auf dem kleinen Platz vor dem Haus liegen bleibt, einem kleinen leicht abfallenden Platz; wir pflegen ihn und halten ihn uns nur so zur Zierde mit Klee und Bohnenkraut. In der Mitte, vorsichtigerweise am steilsten Punkt eingepflanzt, steht der Nussbaum des Hauses, der älter ist als das Haus selbst und auch etwas aufrechter und stabiler. Der Nussbaum ist so alt, dass seine Hexen nach allgemeiner Ansicht schon zu Zeiten tanzten, als diese Täler nur von den Banden bewohnt waren, die den Krieg gegen das Römische Reich überlebt hatten, den verbannten Veteranen, die die Besatzer zur zukünftigen Erinnerung an die edelmütige Großzügigkeit des Siegers freigelassen hatten, damit sie an Hunger starben.
    Damals, am Anfang, bevor die Priester kamen und sich die Möglichkeit einer anderen, schlimmeren Hölle abzeichnete, waren die Hexen des Ortes ein Trost; da sie nichts zu stehlen und nur wenige Feuer zu löschen hatten, war alles, was sie sich Böses ausdenken konnten, die Männer auf die Nussbäume zu entführen und mit ihnen zu tanzen, bevor sie sie hinunterstießen. Doch das waren Männer, die Schlimmes gewohnt waren, und die schwärzesten Legenden besagten, dass einige von ihnen sie sogar geheiratet hätten. Sicher ist, dass diese einsamen Wilden gezwungen waren, ein für die lebhaften Baumtänze geeignetes Musikinstrument zu erfinden, und dieses Instrument ist kein anderes als die Geige; ja, gerade die Geige, die dann in den kommenden Jahrhunderten der gequälten Seele der Menschen so viel Trost gespendet hat. Das sagt die Santarellina, die von diesen Dingen mehr als alle anderen etwas versteht.
    Seitdem wir hier sind, haben uns die Hexen unseres Nussbaums noch nie belästigt; sie sind alt, und wenn sie versuchen würden, von ihren Ästen herabzusteigen, würden sie am Ende den Hang hinunterpurzeln. Und dann sind sie es auch leid, Zeit zu vergeuden, um jemanden zu suchen, der für sie Geige spielt: Die Männer sind sanft und mager geworden, sie können nicht mehr mit der Unersättlichkeit tanzender Zauberinnen mithalten, auch nicht hier bei uns. Jedenfalls legt Nita, weil man ja nie vorsichtig genug sein kann, beim Johannisfest, in der Zeit, wenn die Hexen die grünen Schalen entsprechend giftig gemacht haben, um daraus Likör zu bereiten, bevor sie sich schlafen legt, ein Bündel mit ihren Keksen unter den Nussbaum. Auf diese familiäre Weise lindert sie ein wenig den Hunger unserer alten Hexen nach Süßem, bezeigt ihren Geistern schwesterliche Pflege und hält sie sich für kommende Zeiten gewogen. Die Hexen sind ihr dankbar und haben sie gern, und so geht sie, auch wenn die Nacht voller Feuer leuchtet, die hier und da im Tal angezündet werden, ins Haus hinauf und verschafft sich dabei mit den
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