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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern
Autoren: Jennifer Benkau
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den, nicht um deine blöden Auftritte.«
    Baff, das hatte gesessen. Ich wäre sofort zum Gegenangriff übergegangen, wenn sie nicht mit jeder Silbe recht gehabt hätte. Ein Mensch, der mit mir im Abteil gesessen hatte, betrachtete nun die Radieschen von unten, während ich darüber jammerte, zwei Wochen lang nicht mit Feuer spielen zu dürfen. Doch ich tat mich schwer mit der Vorstellung, dass tatsächlich jemand sein Leben in dem U-Bahn-Schacht gelassen hatte. Es war unwirklich, nicht real, solange ich darüber nicht nachdachte. Die Nachrichten im Fernsehen konnte ich ausschalten, die Zeitung ungelesen liegen lassen. Gedanken jedoch waren unaufhaltsam, wenn sie erst einmal rollten. Wie eine U-Bahn. Ich fröstelte und verkroch mich trotz schwüler Sommerhitze tiefer unter meiner Decke.
    Â»Weißt du inzwischen wenigstens, was aus deinem Retter geworden ist?«
    Rosalia hatte sich in den Kopf gesetzt, dass der junge Mann, der auf mich gestürzt war, mich absichtlich unter sich begraben hatte. Warum? Natürlich um mich vor den herumfliegenden Trümmern zu schützen. Rosa fand das romantisch. Ich glaubte nicht daran, dafür war alles viel zu schnell gegangen, aber zweifelsfrei hatte der Mann mein Leben gerettet, ob nun bewusst oder aus Versehen, konnte mir herzlich egal sein. Daher hatte ich mich am Vortag nach ihm erkundigt, doch die Krankenschwestern waren meinen Fragen ausgewichen. Ich war von seinem Tod ausgegangen, woraufhin ein Weinkrampf mich außer Gefecht gesetzt hatte. Das wiederum hatte das Herz einer Schwesternschülerin erweicht und sie verriet mir, dass er lebte. Mehr konnte sie mir allerdings nicht sagen. Doch von da an ließ ich nicht mehr locker. Und inzwischen hatte ich tatsächlich etwas herausgefunden.
    Â»Hör zu, Rosa!« Meine Stimme wurde vor Aufregung eine Oktave höher, als ich meine neueste Erkenntnis mit ihr teilte. Frau Neue schnarchte lauter, als wolle sie mich damit zur Ruhe mahnen. »Die Nachtschwester hatte ein Einsehen und hat mir streng vertrauliche Informationen verraten, die ich in jedem Fall für mich behalten soll.«
    Rosalia marterte mein geschundenes Hirn mit einem Meerschweinchen-Quieken. »Raus damit, ich will alles wissen. Wer ist der Typ? Und vor allem: Wo ist er?«
    Ich grübelte einen Moment über die Definition von streng vertraulich, befand meine beste Freundin dann aber für einen optimalen Mitwisser.
    Â»Das ist das Problem. Keiner weiß, wo er ist. Er ist nach der Erstversorgung einfach verschwunden.« Ich ließ meine Worte einen Augenblick wirken und setzte dann nach: »Und zwar aus dem Fenster. Es stand offen, als die Schwester nach ihm sehen wollte.«
    Â»Willst du mich veralbern? Warum sollte er weglaufen? Wie konnte er das mit den Verletzungen überhaupt? Hast du da vielleicht ein bisschen übertrieben? Und wo ist er hin?« Rosalia ließ mich nicht zu Wort kommen, aber ich hatte ohnehin keine Antworten auf all ihre Fragen.
    Â»Mehr weiß ich nicht«, meinte ich, obwohl ich wirklich gerne mehr gewusst hätte. Ich wickelte mir das Telefonkabel so fest um die Finger, dass sie anschwollen und zu prickeln begannen. »Er hatte wohl keinen Ausweis dabei und hat auch keinen Namen genannt. Zuerst schien er unter Schock zu stehen und war nicht ansprechbar und dann ist er abgehauen. Einfach weg. Futschikato. Er muss aus dem Fenster geklettert sein, vermutlich ist er über die Balkone nach unten gelangt.«
    Â»Moment, Noa. In welchem Stockwerk war er?«
    Ich musste tief Luft holen. Sehr tief. »Im siebten.«
    Â»Heilige Muttergottes auf Crack!«, stieß Rosalia aus und schwieg dann für einen Moment derart penetrant ins Telefon, dass ich mir Sorgen um ihre Sauerstoffzufuhr machte.
    Â»Rosa, bist du noch dran? Atmest du?«
    Â»Klar. Sag mal – sah er gut aus?«
    Hatte ich mich verhört? Ȁh. Ich habe erst mal gekotzt, als ich freie Sicht hatte! Da war alles voller Blut und er sah verdammt tot aus. Ich habe auf so was nicht geachtet – da hätten Michael Jackson, Elvis und Bruno Mars in Reih und Glied liegen können und ich hätte es nicht mitbekommen.«
    Â»Verstehe. Noa, glaubst du eigentlich …« Sie setzte eine Pause und trampelte trotz der Entfernung von tausend Kilometern auf meinen Nerven herum. »Glaubst du an Schutzengel?«
    Nein. Ich glaubte nicht an Schutzengel. Zumindest hatte ich nicht daran geglaubt, bevor
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