Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
durfte als parteiloser Einzelstadtrat an diesen Besprechungen nicht teilnehmen, was diesem regelmäßig die Zornesröte ins Gesicht trieb.
»Meine Herren«, begann der jugendlich wirkende Oberbürgermeister sein Statement, »ich bedanke mich, dass Sie die Zeit gefunden haben, kurz vorbeizuschauen. Es geht, wie ich Ihnen bereits am Telefon angedeutet hatte, um die Sanierung unserer so genannten Oberen Stadt.« Er holte mehrere DIN A4 große Kopien von Lageplänen aus einer Klarsichthülle heraus und fuhr fort: »Wir haben da ein kleines Problem.«
Die vier Männer hörten aufmerksam zu: Volker Träuble von den Konservativen, Reinhold Bund von den Bürgerlichen, Hansjörg Völs von den Linken und, der Jüngste in der Runde und betont lässig-leger gekleidet, Bernd Stähle von den Umweltschützern. Sie wussten: Wenn der Oberbürgermeister einmal das Wort »Problem« in den Mund nahm, dann galt es wirklich, eine schwere Nuss zu knacken. »Ich möchte Sie auch nur informieren«, fuhr Schönmann fort, »wir können nichts beschließen und auch nichts in die Wege leiten. Sie sollen lediglich über den ›Stand der Dinge‹ informiert werden.”
In der historischen, so genannten Oberen Stadt, rund um die Kirche, bemühte sich die Verwaltung seit Langem, die vom Verfall bedrohten Gebäude zu sanieren. Auch das Landesdenkmalamt hatte bereits mehrfach Sanierungsmaßnahmen angemahnt und die Besitzer teilweise aufgefordert, dringend notwendige Reparaturen vornehmen zu lassen, um die Substanz der mittelalterlichen Häuser zu retten.
Schönmann zog aus einem großen Kuvert ein Schreiben heraus, das mit einem goldenen Briefkopf versehen war.
»Wir haben ein Schreiben bekommen«, fuhr er fort, »welches nichts Gutes verheißt für unsere Bemühungen, den alten Stadtkern zu erhalten. Es geht im Wesentlichen um die Lange Gasse, also jenen Bereich, in dem wir uns kleine Läden und Kneipen vorgestellt haben.«
Die Fraktionsvorsitzenden verfolgten die Ausführungen wortlos und gespannt. Vom nahen Turm des Alten Rathauses schlug es viertel nach elf. Obwohl sämtliche Fenster des Büros gekippt waren, lag eine drückende Hitze in dem Raum. Die Männer hatten, mit Ausnahme des Umweltschützers, der gleich ohne Kittel gekommen war, ihre Jacketts an die Stuhllehnen gehängt und saßen hemdsärmelig um den runden Tisch.
»Und nun meldet sich eine Bauträger-Gesellschaft mit dem schönen Phantasie-Namen ›Sunrise‹ aus München und will hier in ganz großem Stil Neues bauen. Sie schreiben, sie hätten bereits vier aneinanderliegende Häuser aufgekauft, sozusagen ein ganzes Karree, wenn man so will. Alles nicht denkmalgeschützte Gebäude, die wir allerdings gerne erhalten hätten.« Der Oberbürgermeister breitete die fotokopierten Lagepläne aus und fuhr mit dem Kugelschreiber die Umrisse besagter Grundstücke ab.
»Sie wissen«, erklärte er, »dass diese Gebäude seit Jahr und Tag nicht mehr bewohnt sind und vor sich hingammeln. Ich könnte mir vorstellen, dass die Eigentümer dankbar waren, einen Käufer gefunden zu haben. Das Dilemma, in dem wir jetzt stecken, ist folgendes: Wir haben praktisch keinerlei rechtliche Handhabe, den geplanten Abriss zu verhindern. Und weil es in besagtem Gebiet bis heute keinen rechtskräftigen Bebauungsplan gibt, sind unsere Einflussmöglichkeiten, was die Gestaltung des Neubau-Komplexes anbelangt, äußerst beschränkt.«
»Das heißt im Klartext, dass uns der einen Betonklotz hinklatschen kann und wir tatenlos zusehen müssen«, unterbrach Umweltschützer Bernd Stähle den Redefluss des Oberbürgermeisters. Der wiederum bekräftigte: »Genauso ist es, Herr Stähle, genau so. Unsere gesamte Altstadtsanierung wird damit aus den Fugen gehoben.« Der Oberbürgermeister, der für seinen Optimismus und sein Lächeln weithin bekannt war, setzte eine finstere Miene auf.
»Was sagt das Baurechtsamt dazu?«, fragte Volker Träuble von den Konservativen. Der langjährige Stadtrat, ein angesehener Geschäftsmann Geislingens und Vorsitzender des größten Turnvereins, galt als besonnen und überlegt. Er hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und die Ausführungen des Oberbürgermeisters mit ernstem Gesicht verfolgt.
»Unsere Experten bestätigen genau das, was ich ausgeführt habe«, erklärte Schönmann, »im Prinzip ist ein Neubau nicht zu verhindern. Die Gesellschaft kann klagen und wird vor jedem Gericht Recht bekommen.«
»Mal eine dumme Frage«, wandte Reinhold Bund von den Bürgerlichen ein,
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