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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe
Autoren: Peter Prange
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Schüttelfrost befallen.
    13
    Während Du diese Zeilen liest, mein Großer Zauberer, sitze ich schon im Flugzeug. Ja, Deine Windsbraut fliegt noch einmal durch die Lüfte, um in einer anderen Welt zu landen, an einem fremden, unbekannten Ort, wo vielleicht ganz neue wunderbare Abenteuer auf mich warte n …
    Harry ließ den Brief sinken. Während er versuchte, die Worte zu begreifen, hörte er den Applaus, mit dem das Publikum Pompon für seine Rede dankte, wie das Rauschen eines fernen Meeres.
    Was war das für ein Traum, in den er da hineingeraten war? Von was für einer Welt redete Laura? Von was für einem Flugzeug, in dem sie angeblich saß?
    Als er den Kopf hob, begriff er, dass er nicht träumte. Während der Applaus verebbte, eilte Debbie durch die Menschenmenge auf ihn zu, mit einem Gesicht, wie nur die Wirklichkeit es hervorbringen konnte. Harry wusste selber nicht, warum, aber plötzlich erschien sie ihm wie eine Ärztin oder Krankenschwester, für eine Sekunde bildete er sich sogar ein, ein Häubchen mit dem Rote-Kreuz-Zeichen auf ihrem Haar zu sehen. Alles angestrengte Strahlen war aus ihrem Gesicht verschwunden, das weiße amerikanische Cadillac-Gebiss war weggesperrt hinter zwei dünnen, zu einem Strich aufeinandergepressten Lippe n – die braunen, tränenfeuchten Augen ein einziger, kummervoller Blick.
    »Ich verstehe kein Wort«, flüsterte Harry. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Komm«, sagte sie und fasste ihn unterm Arm, »ich werde dir alles erklären.«
    Die behutsame Art, mit der sie zu ihm sprach, ängstigte ihn noch mehr als die Vorstellung einer Szene. Fast wünschte er sich, sie würde ihn beschimpfen. Wie einen Kranken, der ohne fremde Hilfe nicht laufen kann, führte sie ihn fort, weg von der Himmelsbeute , in die hinterste Ecke des Raums, wo eine Stellwand die Nische vom Rest der Eingangshalle abtrennte. Als eine Woge sinnloser Laute schlug das Vernissagengeschwätz hinter ihnen zusammen.
    »Wo ist Laura?«, fragte Harry.
    »In Mexiko.«
    »Was zum Teufel soll das heißen? Sie ist doch zu mir zurückgekommen. Hier in diesem Raum, keine zehn Stunden ist das her.«
    »Ich weiß«, sagte Debbie. »Ich habe sie selbst zu dir geschickt.«
    » Was hast du?« Harry schnappte nach Luft. »Aber warum ist sie dann nicht hier? Sie hat mir doch versprochen, dass sie heut e …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Weißt du irgendwas, was ich nicht weiß?«
    Debbie zögerte, unschlüssig, wie sie anfangen sollte. Dann hob sie den Blick und schaute ihm fest in die Augen.
    »Laura war noch einmal bei mir, allein.«
    »Bevor sie zu mir kam?«
    Debbie nickte. »Sie hat mich aufgesucht, um mir den Grund ihrer Entscheidung mitzuteile n – warum sie Roberto nach Mexiko begleitet. Die beiden sind heute Morgen geflogen.«
    »Dann hat sie es also wirklich wahr gemach t …« Harry spürte, wie ihm die Worte auf den Lippen erstarben. »Warum hat sie es mir nicht selbst gesagt? War sie dafür zu feige?«
    Debbie schüttelte den Kopf. »Sie konnte es nicht. Aber glaub mir«, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu, »Feigheit war nicht der Grund. Eher Rücksicht auf dich. Sie dachte, es wäre leichter für dich, wenn du es durch jemand anders erfährst als durch sie selbst.«
    »Was wollte sie mir leichter machen?«, rief Harry so laut, dass ein paar Vernissagegäste leise um Ruhe zischten. »Ihren Verrat? Los, sag schon! Spann mich nicht auf die Folter!«
    Debbie musste schlucken, so schwer fielen ihr die Worte.
    »Laura ist krank«, erklärte sie schließlich.
    »Ja und? Das ist doch kein Grun d …«
    »Doch«, fiel Debbie ihm ins Wort. »Laura war schon immer krank, die ganze Zeit, seit ihr euch kenn t – sogar schon bei eurer ersten Begegnung in London. Aber statt zum Arzt ist sie mit dir gegangen.«
    Harry zuckte zusammen. »Du meins t – die Sache ?«
    Plötzlich erinnerte er sich. Es war ein Tag wie heute gewesen, der Tag einer Vernissage. Sie hatten vor der Garderobe der Galerie gestanden, und er hatte sie aufgefordert, ihn in ein Restaurant zu begleiten. Ihre Freundin hatte was von einem Arzttermin getuschelt, und für eine Sekunde hatte er gefürchtet, Laura würde ihm einen Korb geben. War die Sache schon damals der Grund für ihr Zögern gewesen?
    »Waru m … warum hat sie mir die Wahrheit nicht gesagt? Eine Krankheit, das ist doch nichts, was man verschweigen muss.«
    Eine Träne quoll aus Debbies Augen und rann an ihrer Wange herab.
    »Laura wird die Krankheit nicht überleben.«
    »Um
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