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Hilflos in deinen Armen

Hilflos in deinen Armen

Titel: Hilflos in deinen Armen
Autoren: MARGARET MOORE
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beileibe nicht ihr liebster Zeitvertreib.
    Sie stand auf, trat ans Fenster und schaute hinaus über das Land, das sie liebte – Felder, Wiesen und Wälder, das Dorf und besonders die Menschen, die ihr am Herzen lagen wie eine eigene Familie. Sie sah die Mühle und das Mühlrad, das mit seinem gemächlichen Drehen eine Geruhsamkeit vortäuschte, wie sie im Hause des Müllers leider nicht herrschte. Kähne glitten über den Fluss, an dessen Ufern etliche Frauen beim Waschen waren und die Linnentücher zum Trocknen oder zur Bleiche über das Buschwerk breiteten. Unweit planschte und spritzte eine ausgelassene Kinderschar, deren Geschrei und Gelächter Gillian aber beim Lärm des Gesindes, der Karren und Händler, die unten im Burghof ihre Waren anlieferten, nicht hören konnte.
    Über der Schmiede stiegen grauschwarze Rauchschwaden auf. Gillian konnte sich lebhaft vorstellen, wie Old Davy mit seinen Kumpanen Hof hielt. Wahrscheinlich schwatzte man über die Tagesereignisse und spekulierte darüber, was der König wohl künftig anstellen mochte, um seine Besitzungen in Frankreich zurückzugewinnen. Wie wollte er wohl das Geld für einen neuen Feldzug eintreiben? Durch neue Steuern etwa?
    Sie sah den weitflächigen Dorfanger und die Karren, die einige fliegende Händler dort aufgefahren hatten, zweifellos zum Leidwesen der heimischen Krämer, deren Stände an die Wiese grenzten. Im Hof der Brauerwitwe lud der Böttcher gerade eine Ladung Fässer ab. Vermutlich jammerte die Gute ihm vor, wenn auch auf eher gutmütige Weise, er verlange zu viel für seine Ware. Nach dem Abladen, so vermutete Gillian, würden sich die zwei dann ins Sudhaus zurückziehen, dort erst einmal das frische Ale kosten und den Tag zuletzt gemeinsam im Bett beschließen. Dass ihr Verhältnis nämlich über das rein Geschäftliche hinausging, das pfiffen die Spatzen von den Dächern.
    Ja, wenn ich heiraten würde, ging es Gillian durch den Sinn, dann müsste ich meine Heimat verlassen, die Freunde und die Menschen, die mir lieb geworden sind, denn ich müsste ja meinem Gemahl auf dessen Anwesen folgen. Eine Fremde unter Fremden wäre sie dann, und ganz gewiss schrecklich einsam.
    Diese betrübliche Aussicht hatte ihr schon Kopfzerbrechen bereitet, als James noch lebte und sie sich über ein Dasein zu zweit unterhalten hatten.
    Kaum zu glauben, dass erst ein Jahr vergangen war, seit ihr Vater starb und sie selber die Führung der Burg übernommen hatte – mit Adelaides Segen und dem Versprechen, das werde auch immer so bleiben. Knapp ein Jahr seit Adelaides Umzug an den königlichen Hof. Knapp ein Jahr, seit Lizette nach Norden zog, um Freunde zu besuchen und neue hinzuzugewinnen. Denn im Gegensatz zu Gillian, die Averette nicht verlassen wollte, trieb es Lizette von der heimischen Scholle fort. Die Vorstellung, an einen Orte gebunden zu sein, war ihr ein Graus.
    Würde einer wie Sir Bayard wohl jemals verstehen, was Heimat für sie bedeutete? Wie viel ihr daran lag, nach Kräften dafür zu sorgen, dass alle in Frieden und Sicherheit leben konnten? Dass sie zu diesem Zwecke sogar auf all das verzichten würde, was Frauen sich sonst über alles ersehnten – einen Gemahl und Kinder nämlich? Und dass sie sich keinem Mann unterordnen wollte?
    Vermutlich nicht. Im Gegenteil, er würde gewiss mit Bestürzung und Hohn reagieren, wenn er erfuhr, dass sie der Ehe abgeschworen hatte. Aus freien Stücken, wohlgemerkt. Seit James’ Tod sogar aus vollem Herzen.
    „Mylady?“
    Sie drehte sich um. Auf der Schwelle stand Dunstan, wie üblich in langem, dunklem Überwurf, in der Hand einen Pergamentbogen. Allerdings war er nicht allein, sondern in Begleitung eines Mannes, den Gillian nie gesehen hatte – etwa so alt wie der Burgvogt, gut gekleidet und bis auf einen Zottelbart recht gepflegt.
    „Herrin, dies hier ist Charles de Fenelon“, sagte Dunstan, während er eintrat. „Seines Zeichens Weinhändler zu London. Mit ausgezeichneter Ware.“
    Gemessen an seiner Kleidung machte der Händler offenbar gute Geschäfte. Außerdem haftete ihm ein leichter Weingeruch an, der Gillian verriet, dass er wohl eben erst von dem erwähnten Rebensaft gekostet hatte.
    „Es ist mir eine Ehre, Mylady“, bekundete de Fenelon mit einer Verbeugung und einnehmendem Lächeln. „Im Dorfe hört man nur Gutes von Euch. Man preist Euch in den höchsten Tönen.“
    Der Verwalter, der wusste, was seine Herrin von Schmeicheleien hielt, reichte ihr die mitgebrachte Pergamentrolle.
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