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Hibiskusblüten

Hibiskusblüten

Titel: Hibiskusblüten
Autoren: Alexander Borell
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Uhr, hatte Joe Lumbert gesagt, seien die Blüten noch drangewesen!
    „Was hatten Sie denn an?“ fragte ich.
    „Ein weißes Leinenkleid“, erklärte sie, „und dann hatte ich mir Rosen besorgt, wissen Sie, es gibt wunderschöne künstliche Rosen, die richtig duften, und die hatte ich mir überall mit ein paar Stichen angeheftet. Es sah sehr nett aus, und ich habe einen Preis bekommen.“
    Ich nickte ihr lächelnd zu.
    „Das kann ich mir vorstellen, Isabel, daß Sie reizend ausgesehen haben. Aber nun sagen Sie mir doch mal, wer Ihrer Ansicht nach die Blüten geklaut hat.“
    Ihre Schüchternheit war nun offensichtlich überwunden, denn sie schaute mich voll an und sagte: „Das weiß ich doch nicht, Sir.“
    Ich dachte an die beiden schwarzen Haare.
    „Sie wissen es doch, Isabel, aber sie wollen es mir nicht sagen.“
    Das trieb ihr nun doch wieder das Blut in die Wangen.
    „Wirklich“, sagte sie leise, „ich weiß es nicht.“
    Ich stand auf.
    „Na schön“, sagte ich, „ich weiß, daß Sie schwindeln. Aber nun schicken Sie mir bitte Mister McFellow.“
    Sie ging zögernd hinaus; es sah aus, als wolle sie nochmals kehrtmachen, aber dann verschwand sie doch hinter einer der schweren Türen.
    Ich unterhielt mich dann noch kurz mit dem Sekretär, der mir bestätigte, daß er Isabel kurz vor halb neun Uhr mit in die Stadt hineingenommen hatte. Er konnte mir auch ihr Kleid mit den künstlichen Rosen beschreiben.
    Anschließend sprach ich noch mit dem Schofför und der Köchin. Aus dem Schofför war nichts herauszubringen, und die Köchin bestritt ganz energisch, jemals Hibiskusblüten als Rohkost zubereitet zu haben. Sie war sichtlich empört und drohte, sich eine andere Stellung zu suchen, wenn man ihr hier im Hause „nachschnüffeln“ würde.
    Die ganzen Verhöre brachten nichts ans Licht, was mir ein einigermaßen klares Bild hätte geben können — wenn ich es nicht schon längst gehabt hätte. Ich stellte lediglich fest, daß man Mister Pickles für leicht verrückt hielt, daß er wegen dieser paar lumpigen Blüten eine solche Aktion veranstalte.
    Ich suchte den Alten noch mal auf und erklärte, daß ich mich nun zurückziehen würde, um den Fall in Ruhe zu überdenken, die Aussagen zu vergleichen und ähnliche Routinearbeiten zu erledigen.
    „Ich hoffe sehr, Mister Pickles, Ihnen schon bald einen endgültigen Bescheid geben zu können.“
    Diese Bemerkung pflege ich in solchen Fällen grundsätzlich zu machen, da sie einen guten Eindruck hinterläßt und die Zahlungswilligkeit meiner Klienten steigert.
    Als letztes hatte ich mir vorgenommen, mit Eve zu sprechen. Aber nun stellte es sich heraus, daß sie nirgends zu finden war. Ich mobilisierte Isabel, die Köchin und den Schofför, aber Eve war nicht da. Man versicherte mir, daß Eve sehr viel Freiheit genieße, und daß es öfters vorkomme, daß sie irgendwo in den Bergen herumstrolche.
    Im Hinblick auf Honorar und Unkosten war ich nicht sehr traurig darüber, da ich nun einen wirklichen Grund hatte, morgen nochmals herauszukommen. So kletterte ich also ganz vergnügt in meinen alten Chevy und verließ das Grundstück.
    Kaum hundert Meter davon entfernt, hinter einem kleinen, kahlen Hügel, stand Eve an der Straße und winkte mir.
    Als ich hielt, öffnete sie die rechte Wagentür und setzte sich zu mir in den Wagen.
    «Soll ich dich mitnehmen?“ fragte ich.
    «Ja, ein Stückchen, bitte.“
    «Wohin willst du denn?“
    „Ach, nur so. Ich möchte nur ein bißchen mit Ihnen fahren. Wir könnten vielleicht den Rustic Canyon Road hinunterfahren und dann in den Mulholland Drive einbiegen. Da kommt dann gleich eine Stelle, wo man eine sehr hübsche Aussicht hat.“
    Ich fuhr mit ihr dorthin, und unterwegs sprachen wir kaum. Dann aber, als ich gehalten hatte, fragte sie mich: „Haben Sie eine Spur gefunden?“
    „Ja, ich habe eine gefunden.“
    Ihre großen, dunklen Augen ruhten neugierig auf mir. Sie hatte einen zarten, unberührten Kindermund mit vollen, roten Lippen, die jetzt vor Aufregung ein wenig zitterten. Obwohl sie höchstens zehn Jahre alt sein konnte, schien sie mir doch ein kleines Frauenzimmer zu sein, das sich bereits sehr erwachsen benehmen konnte.
    Ich zog mein Päckchen Kaugummi aus der Tasche und bot ihr einen an.
    „Magst du?“
    „Au fein!“ sagte sie, wickelte ihn aus, steckte das Papierchen in eine kleine Handtasche, die sie bei sich trug, und fing an zu kauen.
    „Mhm“, machte sie, „der ist aber scharf. So einen hab’ ich
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