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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society
Autoren: Karolin Park
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gelingt ihr nicht. Ich komme nicht dahinter, was sie meint und ganz ehrlich, schön langsam mache ich mir echt Sorgen, dass sie gleich einen Schlaganfall oder so erleiden könnte, falls das nicht schon einer ist. Das hört sich so ganz professionell betrachtet nach einer ziemlich hochgradigen Art von Dysarthrie an und sie zittert wie Espenlaub. »Du lieber Gott! Mum?«, löse ich mich endlich aus meiner Starre und checke ihre Pupillen. »Mum!« Ich wedle mit meiner Hand vor ihrem Gesicht, doch sie zeigt keinerlei Reaktion.
    Da höre ich Schritte.
    Ein Glück! Paps!
    »In die Küche, schnell!«, rufe ich panisch vor Angst, während meine Mutter noch immer vergeblich nach Luft ringt. »Wir müssen sofort ins Krankenhaus!«, schieße ich nach und verstumme sogleich, als er ins Zimmer wankt.
    Ich kann nur sagen, wenn Mum schlecht aussieht, braucht es für Paps definitiv ein neues Wort. Er drückt schmerzverzerrt die Zeitung gegen seine Brust. Sein Gesicht ist dunkelrot angelaufen, vermischt mit dem Ausdruck völliger Fassungslosigkeit.
    Ein Herzinfarkt, schießt es mir durch den Kopf, ohne dass ich etwas dagegen machen kann. Ein Herzinfarkt! … und ein Schlaganfall!
    Du lieber Himmel!
    Ich glaube, ich bekomme auf der Stelle einen Nervenzusammenbruch.

KAPITEL 33
     

    O
    kay! Der Tag hat vielleicht nicht unbedingt perfekt angefangen, aber dafür läuft jetzt wirklich alles wie am Schnürchen. Die Schlosskapelle versinkt in einem Meer von blassrosa Pfingstrosen. Am holzstuckierten Kirchenportal drängen sich die kugeligen Buchsbäumchen, welche eigens aus der Orangerie hierher geschafft und mit elfenbeinfarbenen Pferdehaarschleifen geschmückt wurden, und es ist kein einziges Wölkchen am strahlend blauen Himmel zu erkennen. Meine Mum ist damit beschäftigt, dem Pfarrer höflich zu erklären, dass weder Massimo noch Sophie mit dem liturgischen Ablauf vertraut sind und er ihnen deshalb per Handzeichen durch den Wechsel von Aufstehen und Setzen helfen soll, während mein Dad in einer der wundervoll geschmückten Kirchenbänke sitzt und ein letztes Mal ganz stolz seine Gucci-Manschettenknöpfe aus Platin poliert. Es sind die aus dem Bücherregal und da ich mich von Erik ja ohnehin scheiden lasse, muss ich ihm ja nun nicht mehr verraten, dass er sie gar nicht auf Toms Bachelorparty verloren hat – und sehen Sie nur, wie schick Paps damit ist. Ganz vergessen scheint das morgendliche Trauma, aber es hat mich auch allerhand Erklärungskunst und alle Regeln psychotherapeutischer Gesprächsführung gekostet. Wieso geben die auch dieses Foto von mir direkt aufs Titelbild und schreiben auch noch ›Logopädin entrinnt knapp dem Tod‹ dazu. Ich meine, da ist es ja wohl klar, dass mein Vater nervös reagiert, und dabei war es überhaupt nicht gefährlich, ich meine es war ja überhaupt kein Gift in der Flasche und fünf Polizisten standen jederzeit einsatzbereit hinter dem Altar versteckt.
    Aber davon abgesehen ist alles bestens! Dass Erik noch nicht da ist, scheint sie überhaupt nicht zu beunruhigen, vermutlich haben sie es vor lauter Stress ganz vergessen oder vielleicht einfach nicht bemerkt. Was mich anbelangt, so haben in den letzten zwei Stunden mehr Leute angerufen, als – so glaube ich zumindest – das gesamte letzte Jahr. Sie würden es nicht für möglich halten, wer alles. Von einem Teil hatte ich schon ganz vergessen, dass ich die überhaupt kenne, und alle haben mir gratuliert und mein Doktorvater Prof. Pingelig hat mir zu meinen diagnostischen Fähigkeiten und meinem analytischen Denken gratuliert, weil er so begeistert war, dass mich die erhöhten Schilddrüsenwerte von Maries Befund stutzig gemacht haben und am Obduktionsergebnis zweifeln haben lassen. Das stand in dem Presseinterview und mittlerweile weiß man, dass Maries Blutergebnisse tatsächlich mit einer Hyperthyreotikerin, welche an einem plötzlichen Herztod verstarb, vertauscht worden waren und deshalb das Gift im Obduktionsbefund nicht auftauchte. Der Einzige, der mir nicht gratuliert hat beziehungsweise sich noch nicht mal kurz gemeldet hat, um mich zu fragen, ob es mir auch gut geht, ist Erik. Nicht, dass ich es mir wünschen würde oder so, aber das wäre ja nun zumindest ein gebotener Akt der Höflichkeit, wie ich finde, denn –
    Schluss damit! No more tears!
    Ich werfe einen abschließenden Blick auf die Kirchenbänke, an deren Stirnseiten sich ein opulentes Meer an sorbetfarbenen Pfingstrosen ergießt und kontrolliere, ob auch an jedem Platz
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