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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society
Autoren: Karolin Park
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allerdings in Sophies konkretem Fall weniger problematisch ist. Schließlich ist sie als Platz drei der internationalen Model-Top-Ten selbst nicht eben unvermögend und wenn man ihrem zukünftigen Italo-Gatten auch so manches vorwerfen kann, Geldmangel fällt bestimmt nicht darunter (und im Zweifel sparen wir eben bei der Torte ein – bei all den Model- und Celebrity-Gästen wird an Schokoladentorte mit karamellisierter Vanillecreme mit ziemlicher Sicherheit ohnehin niemand interessiert sein außer mir.)
    Aber jetzt heißt es erst mal Daumen drücken. Wir haben alle heute Nacht kein Auge zugemacht, weil nämlich Sophies Seiden-Chiffon-Tüll-Traum, in welchem sie die Show hier in wenigen Minuten unter den Augen der Weltpresse eröffnen soll, in den letzten 13 Stunden ebenso oft geändert wurde und sich damit für uns alle zum absoluten Albtraum entwickelt hat – außer natürlich Pierre, der nach seinem Schlummer-Pastis in der Hotelbar zehn Stunden Schönheitsschlaf genossen hat, während ich mich mit Sophies stressbedingter Übelkeit und den homöopathischen Ratschlägen meiner hilfsbereit-besorgten Mum am anderen Ende der Leitung herumschlagen musste. Noch ein Grund, weshalb ich die Idee von Smokey Eyes so überzeugend fand, bei den Ringen unter meinen Augen. Bloß gut, dass Erik mich so nicht sieht. Der vermutet schon hinter meinen alltäglichen Tränensäcken immer gleich ein schwerwiegendes Nierenversagen, wenn er mich morgens vor dem Auftragen meines Highlighters erwischt, also bin ich ehrlich gesagt erleichtert, dass er vollauf mit diesem superwichtigen neuen Deal beschäftigt ist. Eine Millionenfusion von zwei der weltgrößten Konzerne für Fair-Trade-Handel – ­oder war’s Öko-Agrarwirtschaft?
    Mensch, ich sollte echt mal genauer hinhören, wenn er von seiner Arbeit erzählt. Noch so ein Punkt auf meiner Liste. Also schön langsam, aber sicher verliere ich echt den Überblick.
    Dabei weiß doch jeder, dass man seinem Mann und dessen Arbeit genug Aufmerksamkeit schenken sollte. Sie wissen schon, das stabilisiert die Beziehung, erzeugt Vertrautheit und Nähe – schreibt zumindest die Cosmopolitan und die müssen es schließlich wissen … Obwohl, von denen stammten auch die ›50 Dinge, die ihn im Bett um den Verstand bringen‹ – und ich bin nicht wirklich sicher, ob mit ›Hören Sie aufmerksam zu, Sie werden sehr viel Interessantes am Beruf Ihres Mannes entdecken‹ auch Rechtsanwälte gemeint waren. Denn ich bemühe mich wirklich, ordentlich aufzupassen, aber irgendwie ist es mit seiner Arbeit wie mit der Steuererklärung, ich nehme ehrlich all meine Konzentration zusammen und ehe ich mich versehe erwische ich mich dabei, wie ich überlege, ob die Sauerstoff-Kur von Jennifer Lopez auch für mich was wäre. Keine Ahnung, woher das kommt. Es ist wie mit diesen Briefen vom Finanzamt. Meistens genügt die Betreff-Zeile und schon passiert diese paradoxe Schreckreaktion gefolgt von einem totalen Blackout. Jede Zelle meines Körpers bekommt eine Art Schockzustand und ich brauche sofort eine Vogue. Oder noch besser, einen Schokoriegel.
    Und ich verstehe überhaupt nicht, warum das passiert. Weil ich im Grunde genommen überhaupt nicht zu neurotischen Verhaltensweisen tendiere, mal abgesehen davon, wenn Erik wieder mal kunstvoll den Bartstoppelinhalt seines Rasierapparates über das gesamte Waschbecken verstreut hat.
    Und ich habe auch gar nichts gegen Steuererklärungen oder das Finanzamt, vor allem seit mir meine private Krankenversicherung als Sonderausgabe anerkannt wurde.
    Zugegeben, das Sammeln der ganzen Belege bereitet mir mitunter etwas Schwierigkeiten und ja, es kann wirklich nervenaufreibend sein, diesen dicken Steuerbogen mit all den Fragen und bunten Kästchen zu verstehen, geschweige denn richtig auszufüllen, aber so ganz grundsätzlich habe ich nichts gegen das Bundesrechenzentrum. Wirklich. Also das Gebäude zum Beispiel, das finde ich wirklich sehr schön. Jugendstil und die Lage ein Traum. Also wenn ich dort arbeiten könnte, da würde ich mir das mit meiner manifesten Rechenschwäche vielleicht sogar nochmal überlegen. Und die Beamten selbst, also nicht, dass Sie das falsch verstehen, die finde ich auch ganz umsichtige und sehr nette Leute. Also meine Sachbearbeiterin zum Beispiel, diese Frau Molart ist ja eine ganz nette Person. Ich schreibe ihr Briefe, schon seit Jahren. Sie wissen schon, wenn ich eine Frage zu gewissen Absetzbeträgen, wie etwa Berufskleidung, Fachliteratur oder
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