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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society
Autoren: Karolin Park
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Mist! Ich reiße noch immer wie eine Verrückte am Verschluss meiner apfelgrünen Kalbsledertasche. Der Schweiß steht mir auf der Stirn.
    Na endlich! Sowie ich es geschafft habe, den Verschluss zu öffnen, beginnen sich meine Finger auch schon nervös durch den Inhalt zu wühlen, ohne dabei den Security-Typen aus den Augen zu verlieren.
    Minihaarspray, Handcreme, Bürste, Lipgloss, zerknüllte Kassenzettel fliegen zur Seite. Igitt! Ein klebriges Hustenzuckerl – und der Typ kommt immer näher. Ach herrje! Das muss doch hier irgendwo … Ich wühle weiter. Parfum, Pfefferspray, Taschentücher, Pfefferspray?
    Wie um alles in der Welt … Mum! Am liebsten würde ich auf der Stelle explodieren, aber mir bleibt keine Zeit. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie der Typ über sein angeklebtes Mikro Anweisungen gibt. Mist! Wo ist bloß dieses verdammte Telefon? Mein Herz rast und meine Hände zittern … Die werden mich hier so was von rauswerfen.
    Aus der Traum.
    Kein Defilee, kein s’amuser, kein Cocktail mit Karl … Oh, mein Gott! Was, wenn sie dahinter kommen, dass ich Pfefferspray in der Tasche habe? Geschweige denn, dass ich gar nicht Wang heiße?

KAPITEL 2
    K
    ritisch betrachtete sie ihr Gesicht im Badezimmerspiegel. Es musste doch einen Hinweis geben. Ein winziges Anzeichen. Doch so sehr sie sich auch mühte, es war nichts zu erkennen. Kein Hauch eines Lächelns, der Freude oder gar Stolzes. Sie war am Ziel aller Träume angelangt. Bloß, dass es nicht ihre Träume waren. Die Presse überschlug sich vor lauter Begeisterung angesichts der Tatsache, dass eine österreichische Schauspielerin im nächsten Woody-Allen-Film die Hauptrolle spielen würde, und die Spekulationen um einen möglichen Oscar für ihre Rolle in dem eben abgedrehten Scorsese-Remake überschlugen sich geradezu. Sie selbst allerdings hatte keine Ahnung, wie es so weit hatte kommen können. Wie sie so weit hatte kommen können, wo doch ihr ganzes Leben eine planlose Aneinanderreihung von Menschen, Orten und Begegnungen war. Niemals war es einer ihrer Pläne gewesen, Schauspielerin zu werden. Geschweige denn erfolgreich. Unzählbar, wie viele junge Frauen über Jahre an renommierten Art Schools studierten, sich durch Rollengestaltungs-, Stimmbildungs- und Körperarbeitskurse quälten, unzählige erniedrigende Castings über sich ergehen ließen und am Ende doch bestenfalls eine winzige Komparsenrolle oder eine kleine Szene in einem Werbefilm für sich entscheiden konnten.
    Sie hingegen, sie hatte sich mit nichts gequält, nichts angestrebt. Im Gegenteil, das einzige Ziel in ihrem Leben war es, keinerlei Ziele zu verfolgen. Sie wollte nichts erreichen, nichts werden, es zu nichts zu bringen. Und vor allem nichts tun, worauf ihre erlauchten Eltern stolz wären.
    Also lebte sie in den Tag hinein, modelte ein wenig hier, feierte ein wenig da und kümmerte sich um nichts und niemanden. Sie war launisch, aufbrausend und faszinierend zugleich. Die Männer rissen sich um sie und sie riss alles und jeden mit sich fort. Sie liebte die Tragödie, das Drama, die Selbstzerstörung.
    Vielleicht war sie gerade deswegen in ihren Rollen als gequälte, vom Leben enttäuschte Frau so erschreckend wahrhaftig, so beeindruckend verstörend, dass die FAZ sie als ›Das schönste Leiden der Burg‹ bezeichnete. Und nun war sie hier, in dieser teuren Luxusvilla, in den Hügeln Hollywoods mit traumhaftem Blick auf L.A. und seine so zahlreich in der Ferne funkelnden Lichter. In einer Woche würden die Dreharbeiten beginnen. Sie wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie in die Riege der absoluten Hollywoodprominenz aufsteigen würde. Schon jetzt wurde sie von High-Fashion-Designern mit Geschenken überhäuft, die Hochglanzmagazine standen Schlange, um ein Interview von ihr zu bekommen – und da war auch noch Mr. Sexiest Man.
    Zugegeben, es war nicht allzu klug gewesen, Alexander vor den Augen der Weltöffentlichkeit im grellen kalifornischen Sonnenlicht zu küssen. Aber Vladimir wäre sowieso dahinter gekommen. Was machte es schon für einen Unterschied, ob er es aus ihrem Mund oder der Titelstory des Kurier erfuhr. Außerdem würde die Welt schon sehr bald sehr viel mehr erfahren. Sie hatte den Vertrag für das Exklusiv-Interview mit dem News-Magazin bereits unterschrieben. Sie wäre nicht zimperlich. Wenn sie auspackte, dann richtig. Kein Stein würde auf dem anderen bleiben. Es würden Köpfe rollen, Karrieren enden, Ehen scheitern. Wie hieß es: Jeder
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