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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society
Autoren: Karolin Park
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dennoch nicht in der Lage ist, ihn zu entstellen. »Das ist nicht erlaubt! Wir haben alle irgendeinen Fehler, er hat keinen!« Das soll zumindest Naomi Campell über ihn gesagt haben und ich glaube ihr fast. Ich kann mir zumindest keinen Mann vorstellen, der trotz dieses glänzenden Seiden-Maharadscha-Anzugs mit Perlenketten um den Hals noch immer in der Lage wäre, dermaßen gut auszusehen.
    Ich strecke also meinen Kopf noch weiter in seine Richtung, mittlerweile haben die lieblich-leichten Orchesterklänge dramatischen Paukenschlägen Platz gemacht, als ich ihn sehe: den kleinen Knirps an Baptistes Hand. Ich bemerke ihn erst jetzt. Er trägt den gleichen nachtblauen Anzug wie Baptiste. Bloß in Miniformat und er sieht etwas verstört aus, wie er so den Kiesellaufsteg entlang tapst. Wie alt er wohl ist? Zwei, Zweieinhalb? Ich versuche meinen Blick abzuwenden, etwas anderes zu denken, doch der Kloß in meinem Hals wird immer fester. Nein Elli, du fängst jetzt nicht an zu weinen, beschwöre ich mich und zwinge mich, mich wieder auf das Geschehen am Laufsteg zu konzentrieren, und mein Herz macht sogleich einen Sprung, als ich sie am anderen Ende des Kieswegs erblicke. Sophie. Sie hat etwas überirdisch Anmutiges, wie sie durch diesen kunstvoll blühenden Wald aus kugeligen Buchsbäumen, gehüllt in einen filigranen Traum aus elfenbein-glänzenden Perlen, zart schimmernder Seide und weißen Marabufedern, den Lustgarten entlang flaniert, während das aufgeregte Blitzlichtgewitter unbeachtet an ihrer kühlen Schönheit abzuprasseln scheint. Sie wird eine wunderschöne Braut werden, denke ich eben, als …
    Hallo?
    Was?
    Täusche ich mich, oder klingelt da ein Telefon?
    Na-na-na!
    Wenn das mal kein Verstoß gegen Punkt drei der Fashion Show Rules ist? Ich blicke automatisch zur Seite. Bestimmt das Strass-Vertu von diesem hochnäsigen It-Girl drei Plätze weiter, das mich schon die ganze Zeit mit ihrer blassblauen Balenciaga im Arm penibel ignoriert. Also wenn ich sie wäre, würde ich ja mal schleunigst abheben. Der Security-Typ da hinten schaut nämlich schon ziemlich genervt. Die Ader auf seiner Stirn pulsiert geradezu furchteinflößend und er kommt immer näher.
    Ja, er steuert direkt auf sie zu –
    Korrektur: auf mich zu.
    MICH?-
    Okay, jetzt werde ich ein klein wenig panisch. Ich meine wieso ich? Mein Telefon ist doch aus.
    Das war Punkt drei auf meiner Liste. Ich habe es gleich am Eingang auf lautlos geschaltet und außerdem habe ich auch einen ganz anderen Klingelton. Also versuche ich mich erneut dem Laufsteg zuzuwenden, wo nun Karl Lagerfeld höchstselbst, mit seiner obligaten dunklen Sonnenbrille und gepudertem Haar, an Sophies Arm zum Defilée erschienen ist. Aber ich kann mich gar nicht darauf konzentrieren, weil nämlich das It-Girl neben mir schon die ganze Zeit irgendwelche komischen Handbewegungen in meine Richtung macht, während das Klingeln zunehmend lauter wird. Ich überlege eben, was ich tun könnte, um auszudrücken, dass das nicht mein Handy ist, als es mir wieder einfällt.
    Das ist Maries Telefon, in meiner Tasche! Wie konnte ich das bloß vergessen. Auf einmal wird mir heiß und kalt zugleich. Es war gestern Nachmittag. Marie von Stetten, Burgschauspielerin und bald entzückende Anti-Heldin im neuen Woody-Allen-Blockbuster, lag am blankpolierten Parkett meines Therapieraumes und war eben dabei, sich und ihre Stimmbänder mithilfe eines tiefen Brummtons auf die kommenden Dreharbeiten in Hollywood stimmlich vorzubereiten, als ihr glänzendes iPhone uns unentwegt klingelnd von der Therapie abhielt, weil nämlich ihr Ex-Oligarchen-Verlobter, seit er die Augen vor den Knutschbildern des Kuriers nicht weiter verschließen konnte, sie per Telefon zu einer Aussprache zwingen wollte. Also schmiss ich ihn oder besser gesagt es kurzerhand in meine Materialkiste und vergaß darauf, bis es erneut zu klingeln begann. Doch da saß Marie bereits in der Business Class nach L.A. mit meinem Chanel No. 5-Parfum, das ich ihr zum Abschied geschenkt habe als Anspielung auf ihren Freund und weil sie so nett war, mir ihre Schuhe auszuleihen. 24 Stunden später sitze ich nun mit ihrem Telefon und keiner Nummer, unter der ich sie erreichen kann, mit einem eifersüchtigen Russen in der Leitung und der Fashion-Security am Hals ziemlich in der Tinte, während Mademoiselle heißester Hollywoodexport im Chateau Marmont bestimmt bereits mit ihrem Sexiest Man Alive Number 5 seelenruhig Cocktails am Pool schlürft.
    Mist, Mist,
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