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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society
Autoren: Karolin Park
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Privatspenden habe. Sie antwortet mir jedes Mal, und manchmal schickt sie mir sogar kleine Informationsbroschüren mit. Also ich darf keinesfalls vergessen, ihr ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen. Das kann ich doch bestimmt von der Steuer absetzen, oder?
    Was ich allerdings nicht mehr so nett finde, sind diese Dinge, die sie immer von einem wollen. All diese Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Fahrtenbücher, Umsatzsteuervoranmeldungen … und dass sie immer so furchtbar streng sein müssen. So kleine Fehler in der Steuererklärung können doch nun wirklich jedem mal passieren. Sie wissen schon, Schlampigkeitsfehler. Ich meine, warum machen die es nicht einfach so wie damals bei den Schularbeiten. Ein rote Wellenlinie, ein S für Schlampigkeitsfehler oder FF für Folgefehler und der Bitte, beim nächsten Mal ein wenig besser aufzupassen. Hier und da ein Punkteabzug, aber in Summe eine bestandene Steuerprüfung. Das wäre auch viel motivierender. Wo bleibt denn da der Spaß? So ist es doch ganz klar, dass man jedes Jahr noch öfter um eine Fristverlängerung ansucht, weil man vor lauter Angst, was falsch zu machen, erst gar nicht anfängt. Warum nicht eine kleine Tax Warming Party veranstalten? So in der Art, jeder bringt eine Kleinigkeit mit. Nichts Großes, etwa eine Packung dieser entzückenden Paragraphenkekse mit buntem Zuckerguss drauf, die bei Eriks letzter Kanzleifeier der Renner waren, und dann plaudert man ein wenig in lockerer Stimmung über häufige Fehler in der Privatspendenregelung, das kleine Einmaleins des Einkommensteuerbescheids usw. und ja, man könnte ein kleines Ratespiel veranstalten, beispielsweise welche Promis Steuerklagen am Hals haben. Ich wüsste schon zwei.
    Aber nein, stattdessen bekommt man gleich ein Einschreiben. Und da stehen dann lauter so Sachen drinnen wie ›sofort‹, ›unwiederbringlich‹, ›Steuerhinterziehung‹, ›Betriebsprüfung‹ …
    Dabei kann es doch wirklich jedem mal passieren, dass man eine Rechnung falsch nummeriert oder mal eine Null zu viel hinschreibt. Ich meine, das ist doch überhaupt gar kein Grund, gleich so einen Tamtam zu veranstalten. Also ehrlich. Erik regt sich einfach viel zu schnell auf. Ich muss dringend mal meine Mum fragen, da gibt es bestimmt irgendwelche Globuli dagegen, die ich meinem Mr. Law & Order heimlich in seinen Tee werfen kann, bevor er meine Steuer durchgeht.
    Obwohl – vielleicht muss ich das jetzt gar nicht mehr heimlich machen. Seit Erik nämlich diesen neuen Fall übernommen hat, ist er wie ausgewechselt. Früher hat er ja bloß mit den Augen gerollt, wenn ich auf der Suche nach meinen Notfalltropfen vor einer Prüfung war, und sie hätten ihn sehen sollen, als ich vom Moxen nach Hause kam. Da konnte ich ihn mit Müh und Not davon abhalten, meinen Heilpraktiker zu verklagen, wegen Kurpfuscherei, schwerer Körperverletzung oder was weiß ich, ganz zu schweigen von meiner Idee, ihn in dieses Roh-Restaurant einzuladen, wo keine Zutat über 38 Grad erhitzt wird. Nach dem rohen Essen war ich definitiv gar von all den Erklärungsnöten, in denen ich mich befand angesichts Eriks umfassender gesundheitlicher Bedenken, wegen unzuverlässiger Keimtötung, schwer verdaulichem Lebensmittelzustand etc., geschweige denn der Preise. Ich wäre fast im Boden versunken, als er in Gegenwart des Kellners darauf hinwies, wie froh er sei, dass er nun endlich wüsste, dass man Dosentomaten einfach nur auf den Teller zu schütten brauche, ein Blatt Basilikum darauf und fertig sei das Sizilianische Tomatencarpaccio zum Preis von 20 Euro.
     
    Na, wie dem auch sei. In den letzten Wochen hat er sich in dieser Hinsicht sehr gewandelt, überhaupt hat er sich verändert. Genau genommen seit er diesen neuen Fall übernommen hat, der irgendwas mit Bio-Bauern, Öko-Energie oder so zu tun hat – aber ich werde das noch herausfinden, denn ich habe mir fest vorgenommen, ab jetzt zuzuhören, wenn er von seiner Arbeit erzählt (das ist Punkt 13 auf meiner Liste ›Erfüllende Partnerschaft‹).
    Es ist ganz überraschend. Erik interessiert sich plötzlich für so Themen wie Nachhaltigkeit, den verantwortungsvollen Umgang mit unseren Rohstoffen, Ressourcenwirtschaft, Klimaschutz, alternative Energiegewinnung. Er ist geradezu mutiert, vom Yuppie zum Lohas.
    Nein, nicht Lohan. Lohas. Aber kein Problem, das diebische It-Girl war auch meine erste Assoziation. Lohas ist eine Bezeichnung für Menschen mit einem Lebensstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit. Das weiß ich
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