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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society
Autoren: Karolin Park
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jedes Jahr ihr Treuegelöbnis erneuern und ich mache die Organisation und staube jedes Mal ein Designerkleid ab. Also ich muss ihr das gleich mal vorschlagen, wenn ich sie nachher beim Visagisten treffe, denke ich, als ich bestens gelaunt den Hochzeitsmarsch auf den Lippen die Treppen hinunter springe.
    Aus der Küche ist das vergnügte Gemurmel meiner Eltern zu hören und der Duft von frischem Kaffee und gebackenen Briochekipferln steigt mir in die Nase – was die anbelangt, werde ich heute allerdings lieber passen, Haute Couture ist nämlich ziemlich eng und ich will ja nicht, dass mich mein Kleid dann nachher drückt, wenn ich Colin Farrell die Hand schüttle und mit ihm eine flotte Sohle aufs Parkett lege. Ja, ist das nicht der Wahnsinn! Also wenn Sophie nicht bis gestern vergessen hätte, mir diesen Gast mitzuteilen und ich deshalb nicht bis in die frühen Morgenstunden damit beschäftigt gewesen wäre, den Sitzplan zu aktualisieren, dann hätte ich mich ja ein wenig besser darauf vorbereitet. Sie wissen schon: Meine Learn English 1-CD rausgeholt, einen Irlandreiseführer gelesen und vielleicht ein paar Stunden Basketball-Unterricht genommen, das ist nämlich seine Lieblingssportart. Wir hätten uns unterhalten, unsere Nummern ausgetauscht und wer weiß, vielleicht …
    Sophie hat das doch nicht absichtlich zu sagen vergessen?
    Ich drücke schwungvoll gegen die Küchentür.
    »Guten Morgen!«, flötet mir meine Mum in ihrer absoluten Glückseligkeitsstimme entgegen, als ich ins Zimmer komme. Sie hat ihre große cremefarbene Sue-Ellen-Clutch für besondere Anlässe in der Hand – ich nenne sie so, weil sie zu Zeiten von Dallas echt hip war – und auf ihrem Kopf stapeln sich ganze Türme bunter Lockenwickler, während sie dabei ist, durch die Wohnung zu zischen und alle notwendigen Utensilien für die Hochzeit zusammenzukramen. Dabei murmelt sie leise vor sich hin. »Haarspray, Hustenzuckerl, Taschentücher …«
    »Wo ist Paps?«
    »Holt bloß die Zeitung!«, sagt sie, während die Musik im Radio die Acht-Uhr-Nachrichten ankündigt und ich vom Küchentisch aus beobachte, wie sie weiter ihre Tasche packt. »Opfergeld, Lippenstift.«
    »Überraschende Wendung im Todesfall der bekannten Josefstadt-Schauspielerin Katharina Thor«, erklingt die Stimme des Moderators im Hintergrund und instinktiv ducke ich mich, während die Stimme weiter berichtet. »Der Lebensgefährte der Schauspielerin und zweifache Grammy-Gewinner Alexander Skars, bei uns bekannt aus der Serie FBI, konnte gestern Nachmittag überraschend von der Polizei festgenommen werden.« Mum hält inne und denkt einen Moment nach. »Gunther! Gunther!«, quietscht sie jetzt in Richtung offener Terrassentür und steckt das Kameraaufladegerät in die Steckdose.
    »Laut Polizeisprecher gab es Hinweise einer gewissen Elisabeth Witzmann, die Logopädin der Verstorbenen, die zu seiner Festnahme führten«, fährt der Sprecher weiter fort und ich lasse vor Schreck beinahe meine Kaffeetasse fallen. Der hat doch nicht wirklich Witzmann gesagt?
    Ich sehe verstohlen hinüber zu Mum, doch sie scheint es gar nicht gehört zu haben. Ein Glück. Nicht auszudenken, wenn sie mit diesem fürchterlichen Ausschlag im Gesicht herumlaufen würde, wie in den späten 90ern, als sie mein geheimes (weil verbotenes) Nabelpiercing à la Kate Moss entdeckte, das ich mir in einer trendigen Kurzschlussreaktion hatte verpassen lassen. Seither nennt sie ihn ›Elli-anthem‹, weil sie der festen Überzeugung ist, dass er mehr Ausdruck einer elli-ologischen und als einer immunologischen Reaktion ist.
    »Im Zusammenhang mit Katharina Thors Ableben«, fährt der Nachrichtensprecher weiter fort, »wird nun auch der Fall der verstorbenen Hollywoodschauspielerin Marie von Stetten neu untersucht. Die Staatsanwaltschaft geht auch hier von Tod durch Fremdverschulden aus. Eine erneute Obduktion soll klären, ob es zu einer Fälschung des Obduktionsergebnisses kam.«
     
    Klirr!!
    Ich sehe benommen auf.
    Oje, meine Mum hat ihre Kaffeetasse fallen lassen.
    Moment mal! Sie sieht gar nicht gut aus. Ihr Blick wirkt wie versteinert. Sie versucht, glaube ich, irgendetwas zu sagen. Sie macht irgendwelche seltsamen Mundbewegungen, aber ich kann es nicht verstehen. Sie wiederholt es: »Bisevoalegugeiserverla«, und noch einmal:
    »Bisevoalegugeiserverla« – immer und immer wieder.
    Es scheint sie wahnsinnig anzustrengen, sie reißt ihre Augen bis zum Anschlag auf:
    »Bisevoalegugeiserverla«, aber es
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