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HHhH

HHhH

Titel: HHhH
Autoren: Binet Laurent
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wie eh und je mit ihrer bedrohlichen, wohlwollenden oder gleichgültigen Präsenz. Ich sehe den makellos schönen Leichnam einer jungen dunkelhaarigen Frau mit weißer Haut unter der Karlsbrücke vorbeitreiben. Das Sommerkleid klebt ihr am Bauch und an den Beinen, Wasser plätschert über ihre entblößte Brust; und wie aus einer geöffneten Schatztruhe rinnen die verblassenden Zauberformeln des Wassers zwischen ihren nackten Brüsten hervor. Das Wasser des Flusses reinigt die Herzen der Menschen, die vom Strom davongetragen werden. Wie gewöhnlich ist der Friedhof bereits geschlossen. Aus der Straße Liliova schallt das Echo von Pferdehufen auf Pflastersteinen zu mir herüber. In den Märchen und Legenden des alten Prags der Alchemisten heißt es, der Golem werde wiederkommen, sollte die Stadt in Gefahr sein. Der Golem ist nicht zurückgekehrt, weder um die Juden noch um die Tschechen zu beschützen. Auch der eiserne Mann, der zu einer jahrhundertelangen Starre verflucht wurde, hat sich nicht gerührt, als die Deutschen Terezín eröffneten, als sie Menschen töteten, als sie ihr Hab und Gut plünderten, sie schikanierten, quälten, deportierten, erschossen, vergasten und auf alle erdenklichen Weisen ermordeten. Als Gabčik und Kubiš aufbrachen, war es schon ziemlich spät, das Desaster hatte bereits begonnen, nun konnte nur noch Rache geübt werden. Es war eine fulminante Rache, die sie, ihre Freunde und ihr geliebtes Volk aber teuer zu stehen kam.
    Leopold Treppa, Anführer des Netzwerks «Orchestre Rouge», einer legendären Organisation, die von Frankreich aus operierte, machte folgende Beobachtung: Wenn ein Widerstandskämpfer seinem Feind in die Hände fiel und die Möglichkeit zur Kooperation erhielt, konnte er diese annehmen oder auch nicht. Sofern er akzeptierte, hatte er immer noch die Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen und so wenig wie möglich preiszugeben, auszuweichen, die Informationen nur in kleinen Häppchen zu liefern, um Zeit zu gewinnen. Dieser Strategie bediente er sich selbst, als er verhaftet wurde, und A54 tat dasselbe. Doch bei beiden handelte es sich um professionelle Spione allerersten Ranges. In den meisten anderen Fällen war es so, dass jemand, der sich zur Kooperation entschlossen hatte, selbst wenn er davor den fürchterlichsten Foltermethoden standgehalten hatte, ab dem Moment, in dem er nachgab, in dem seine Entscheidung feststand, «sich im Verrat suhlte wie im Schlamm», um es mit Treppas Worten auszudrücken. Karel Čurda begnügte sich nicht damit, die Gestapo auf die Fährte der Attentäter zu bringen, sondern gab zudem die Namen aller Kontaktpersonen preis, die ihm seit seiner Rückkehr in sein Land geholfen hatten. Gabčik und Kubiš hat er verkauft , alle anderen hat er verschenkt . So bestand für ihn beispielsweise überhaupt keine Notwendigkeit, den Funksender «Libuše» auch nur zu erwähnen. Zudem brachte er die Gestapo auf die Spur der beiden letzten noch freien Mitglieder von Valčíks Gruppe «Silver A», Leutnant Bartoš und Funker Potuček. Die Fährte führt nach Pardubice, wo sich Bartoš, nach einer Verfolgungsjagd durch die Stadt schließlich umzingelt, wie seine Kameraden das Leben nimmt. Unglücklicherweise trägt er ein kleines Heft mit jeder Menge Adressen bei sich. Somit kann Pannwitz noch weitere Puzzlestücke zusammensetzen. Die Spur führt weiter über ein winziges Dorf namens Ležaky, das zum Nagasaki von Lidice wird. Am 26. Juni sendet der letzte überlebende Fallschirmspringer, Funker Potuček, die letzte Nachricht über «Libuše»: «Das Dorf Ležaky, in dem ich mich mit meinem Sender befinde, wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Menschen, die uns geholfen hatten, wurden festgenommen [nur zwei kleine blonde Mädchen, die für eindeutschungsfähig gehalten werden, werden überleben]. Dank ihrer Hilfe konnte ich mich und den Sender in Sicherheit bringen. Freda [Bartoš] war an jenem Tag nicht in Ležaky. Ich weiß nicht, wo er ist, und auch nicht, wo ich mich momentan befinde. Doch ich hoffe, dass wir uns wiederfinden werden. Für den Augenblick bin ich allein. Nächste Nachricht erfolgt am 28. Juni um 23:00 Uhr.» Er irrt in den Wäldern umher, wird in einem anderen Dorf aufgegriffen, kann sich den Weg aber erneut freischießen. Doch schließlich wird er abgehetzt, ausgehungert und völlig entkräftet in der Nähe von Pardubice festgenommen und am 2. Juli erschossen. Ich schrieb, er sei der letzte Fallschirmspringer gewesen, aber das
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