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Heyne Galaxy 14

Heyne Galaxy 14

Titel: Heyne Galaxy 14
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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sitzenden Frau eingewebt, die ein Kind in den Armen hielt. Die Szene war von Blumen umgeben.
    »Wer hat dich diese Kunst gelehrt, mein Kind?« fragte sie.
    »Niemand«, erwiderte Mary, ohne aufzublicken.
    Die alte Frau blickte noch einmal auf das Tuch. »Eine wunderbare Arbeit, aber …« Seufzend faltete sie das Gewebe zusammen und steckte es wieder in die Tasche. »Wir haben leider keine Verwendung dafür. Kind, du kannst so gut weben, warum willst du dich nicht an die bekannten Muster halten?«
    »Weil sie tot sind. Mein Bild aber lebt.«
    Wieder seufzte die alte Frau. »Meine Liebe, wann hast du deinen Klef kennengelernt?«
    »Vor sieben Monaten.«
    »Nehmen wir einmal an…» Die alte Frau hielt inne und blickte sich um. Der schwarze Punkt auf dem Wasser war größer geworden und näherte sich dem Hafen. »Nehmen wir einmal an, Klef hat einen deiner Briefe erhalten. Was dann?«
    »Dann weiß er, wie sehr ich ihn liebe«, sagte Mary und hob zum erstenmal den Kopf. Farbe trat in ihre Wangen, und in ihren Augen blitzte es.
    »Und das soll sein ganzes Leben verändern, seine bisherigen Bindungen – alles?«
    »Ja!«
    »Und wenn das nicht der Fall wäre?«
    Mary schwieg.
    »Kind, wenn deine Botschaft nicht wirken würde, würdest du dann deinen Irrtum eingestehen? Würdest du dann zulassen, daß wir dir helfen?«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Aber stell dir nur einmal vor, daß er deinem Ruf nicht folgt – was würdest du dann tun?«
    Mary antwortete nicht sofort. »Dann möchte ich sterben«, sagte sie schließlich.
    Laura-Eins und Vivana blickten sich wortlos an.
    »Kann ich jetzt gehen?« fragte Mary.
    Vivana blickte zum Hafen und sagte schnell: »Vielleicht ist es besser, wenn wir nicht…«
    Die alte Frau hob die Hand. Leise fragte sie: »Wenn wir dich jetzt gehen lassen, was wirst du dann tun?«
    »Ich werde neue Briefe schreiben und sie auf den Weg schicken.«
    Die alte Frau seufzte. »Siehst du?« wandte sie sich an Vivana.
    Schritte ertönten auf der Treppe zur Deichmauer, und der Kopf eines Mannes erschien – eines stämmigen, dunkelhaarigen Inselfischers mit großem Schnurrbart. »Ehrwürden, der Mann ist da«, sagte er. »Soll ich ihn …?«
    »Nein!« sagte Vivana hastig. »Nicht. Schick ihn zurück!«
    »Was würde uns das nützen?« fragte die alte Frau. »Nein, führe ihn herauf, Alec.«
    Der Fischer nickte und verschwand.
    Mary hatte den Kopf gehoben. »Der Mann …?« fragte sie.
    »Schon gut. Es ist alles in Ordnung«, sagte Vivana beruhigend und trat neben sie.
    »Ist Klef gekommen?« fragte Mary angstvoll.
    Die alte Frau antwortete nicht. Einen Augenblick später kam der Inselfischer zurück. Er blickte die drei Frauen an und trat zur Seite.
    Hinter ihm tauchte der Kopf des anderen Mannes auf. Das Gesicht unter dem rotbraunen Haar war hager und ernst. Der Blick seiner grauen Augen wanderte von Laura-Eins zu Mary und löste sich nicht mehr von ihr, als er die letzten Stufen nahm. Wartend stand er schließlich auf der Deichmauer. Hinter ihm wandte sich der Fischer um und stieg wieder hinab.
    Mary hatte zu zittern begonnen.
    »Liebes, es ist ja gut«, sagte Vivana beruhigend. Als ob die Worte ein Startzeichen gewesen wären, setzte sich Mary in Bewegung und näherte sich dem Fischer. Tränen leuchteten auf ihrem Gesicht. Mit beiden Händen ergriff sie seinen Umhang und starrte zu ihm auf. »Klef?« fragte sie.
    Er hob die Hände und umfing sie, und sie warf sich so heftig gegen ihn, daß er fast das Gleichgewicht verlor. Sie klammerte sich so fest an ihn, als ob sie sich in seinem Körper vergraben wollte, und stieß erstickte Laute aus.
    Über ihren Kopf wandte sich der Mann an die beiden Frauen. »Könntet ihr uns für einen Augenblick allein lassen?« fragte er tonlos.
    »Natürlich«, erwiderte Laura-Eins ein wenig überrascht. »Warum nicht? Natürlich.« Sie machte Vivana ein Zeichen, und die beiden gingen auf der Deichmauer zu einer Bank, setzten sich und blickten auf das Meer hinaus.
    Über ihren Köpfen schrien die Möwen. Schweigend saßen die beiden Frauen nebeneinander. Sie waren nicht ganz außer Hörweite.
     
     
    6
     
    »Bist du's wirklich?« fragte Mary und hielt sein Gesicht zwischen den Händen. Sie versuchte zu lachen. »Liebling, ich kann gar nichts sehen. Es ist alles so verwischt…«
    »Ich weiß«, sagte Klef leise. »Mary, ich habe oft an dich gedacht.«
    »Wirklich?« rief sie. »Oh, das macht mich so glücklich! Klef, ich könnte jetzt sterben! Halt mich fest,
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